Neues vom Schlafbaum
  • Lobbyistenschweineschnitzel

    Wenn ich ein großer Betrieb für Catering und Gemeinschaftsessen bin und dem Kapitalismus gehorchtend meinen Gewinn steigern möchte, dummerweise in Berlin meine Einnahmequelle aber ein pleiterer Senat und seit Jahren mit realen Lohneinbußen kämpfende Eltern sind, könnte ich auf folgenden Plan kommen:

    Ich verfüttere eines Tages aus Versehen chinesische Erdbeeren mit Noroviren, sehe meinen Fehler einExterner Link und stoße damit eine Debatte um besseres Schulessen an. Das muss selbstverständlich teurer sein und so stürzt der Senat sich in AktionismusExterner Link, bei dem an Ende sowohl vom SenatExterner Link als auch von den Schülern und ElternExterner Link mehr Geld in den Essenseintopf fließt. Die Kinder werden uns das jawohl schließlich wert sein. Denkt denn hier keiner an die Kinder?

    So habe ich durch meinen Fehler dafür gesorgt, dass meine eigenen Gewinne steigen können, denn ich bin der größte in der Stadt und bekomme am meisten vom Topf.

    Wenn ich richtig teuflisch drauf wäre, würde ich Menschen beschäftigen, die auf der einen Seite dem Gesetzgeber immer strengere Hygienebestimmungen einzureden, die Oma in der Küche niemals und viele kleine Schulessenlieferanten auch nicht einhalten können. Hygiene ist gut für uns und mehr ist besser. Denkt an die Kinder!

    Vielleicht berate ich sogar den Senat bezüglich der Auswahlkriterien zukünftiger Caterer, denn am Ende kommt dabei möglicherweise heraus, dass das Vergabeverfahren diejenigen Caterer bestraft, mit denen die Schulen seit Jahren zufrieden waren. Durch Zufriedenheit, oder eigene Bemühungen oder Recherchen ist der Vorschlag der Schule nämlich voreingenommen und es gewinnt daher der so neutrale Vorschlag des Senats. Gibt es nicht? Stand heute in der ZeitungExterner Link.

    Natürlich hat Sodexo das alles nicht getan und umso froher können sie daher nun über die steigenden Einnahmen und vermehrten Aufträge sein.

    Ich meinerseits werde ab jetzt niemals mehr in der Kantine essen. Das fällt angesichts der miesen Essensqualität – die selbstverständlich nicht in den Vorgaben des Franchisers begründet ist – nicht sonderlich schwer. Damit bestrafe ich die kleinen Arbeiter? Das wurde vor zwanzig Jahren bereits besprochenExterner Link.

    Als solche Firma wäre ich übrigens auch wie versessen auf die Weiterentwicklung der EU. Was wäre es für eine Erleichterung, diesen Plan nur einmal für ganz Europa durchziehen zu müssen, anstatt in jeder Stadt aufs neue. Man wird ja nochmal träumen dürfen. Tun die USA übrigens auch, denn bei „Um erfolgreiche Klagen unterlegener Bewerber zu vermeiden…“ kann einem schonmal aus Versehen das Wort „Freihandelsabkommen“ in den Kopf kommen.

    Unsere Kinder werden uns noch verfluchen, dass sie nicht zeitig am Billigessen krepieren durften.

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  • Befindlichkeiten

    Seit über sechshundert Jahren gibt es in meiner Heimatstadt den Kläschenmarkt zur Feier des Herrn Nikolaus, beziehungsweise dafür, um vor einem langen, im Bauernhaus eingesperrt ertragenen Winter noch einmal raus vor die Tür zu kommen, um was anderes ficken zu können als Cousins und Cousinen. Noch nicht ganz seit Bestehen des Marktes wird dieser mit Glühwein, Fischbrötchen und Kentucky Derby gefeiert und findet seinen Ausklang auf dem Marktplatz vor dem Ratskeller weil es drinnen voller Pack ist. Schon immer haben mir persönlich die Buden zu früh zugemacht, aber seit diesem Jahr dürfte es jedem zu früh sein, denn man muss nun aufgrund einer AnwohnerbeschwerdeExterner Link Freitags um elf und Samstags um zwölf schließen.

    Nun lässt das Alter des Marktes vermuten, dass er vor dem Anwohner da war und so stellt sich die Frage, warum jemand da hinzieht, der es nicht aushalten kann, dass vier Tage im Jahr Besoffene Leute vor der Tür rumgrölen. Da fällt mir das Schützenfest ein, aber dagegen vorzugehen ist vermutlich schwieriger, da die Feiernden bewaffnet sind. Dann doch lieber gegen Sportplätze vorgehen – das gab es dort auch schon, übrigens bei einem Sportplatz direkt neben dem Schützenplatz.

    Ich dachte bisher, diese Beschwerdekultur sei ein Phänomen nach Berlin gezogener Schwaben, die dafür sorgen, dass Clubs schließen und um zehn Bürgersteige hochgeklappt werden, damit sie sich zuhause fühlen, aber offenbar ist es ein mittlerweile weit verbreitetes Phänomen des übertriebenen Achtens auf Einzelbefindlichkeiten, aufgrund dessen eine komplette Gesellschaft jeden Tag ein Stück Freude verliert.

    Vor meinem Balkon ist zweimal die Woche Markt und neben ein paar echt guten Sachen findet man dort vor allem Lärm, Müll und die Bestätigung der Evolutionstheorie, aber deshalb würde ich mich niemals darüber beschweren, denn der Markt war schon vor mir da (und man fände die Beschwerde vermutlich rassistisch (obwohl es keine Menschenrassen gibt)).

    Ich werde nach Jahren der Abwesenheit dem diesjährigen Kläschenmarkt übrigens beiwohnen, falls es jemanden interessiert. Ich kann ja früh wieder abreisen.

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  • Digitale Welt

    Bei Null

    Bei Null

    Mir scheint, der Mensch wird nicht ruhen, bis die Welt versiegelt ist und jedes einzelne Ding auf ihr mit Strom funktioniert. Frohlocket, denn ein weiterer kleiner Schritt dahin wurde heute getan!

    Der jährliche Besuch vom Heizungsablesemokel liegt hinter mir. Ich erinnere mich an Zeiten, zu denen er komische bunte Röhrchen ablas, sie durch andere, komische bunte Röhrchen ersetzte, dann schrieb er die abgelesene Zahl auf ein Stück toten Baum, ich sah sie, musste unterschreiben und bekam einen Durchschlag. Seit einigen Jahren tippt er die Zahl nur noch in ein Gerät und ich bekomme garnichts. Das liegt vielleicht daran, dass die Zahl Jahr für Jahr größer wurde und es damit an der Zeit war, mir diese zu verheimlichen. Auch in der Küche passiert das übrigens, obwohl man die Heizung dort garnicht betreiben kann, da das Ventil von einem Kühlschrank dauerhaft geschlossen wird und komme mir niemand mit Einfrieren – wir sind hier nicht in Moskau.

    Seit eben nun krallt sich ein kleines, elektronisches Gizmo an meine Heizungen und macht Sachen, die ich in keiner Weise nachvollziehen kann und in einem Jahr wird es dem Heizungsmokel irgendetwas zuflüstern und ich stehe doof daneben und weiß nichts, außer dem, das es mir mitteilt, wenn ich sein Knöpfchen streichle (was wie man weiß selten die Wahrheit ist).

    Was ich weiß ist, dass ich am Ende bezahlen darf und daher wünschte ich mir eigentlich ein wenig Transparenz und Information, aber das tue ich auch an so manch anderer Stelle.

    Was ich sehe ist, dass das Elektroding wesentlich kleiner ist als seine analogen Großeltern und ich damit die nun freigewordene Fläche der Heizungen eigentlich neu streichen müsste, was mich besonders ärgert, denn das zahlt mir niemand und die Heizung im Wohnzimmer habe ich erst dieses Jahr neu gestrichen. Obwohl das eigentlich ein Vorteil ist, denn die Farbe davon steht noch auf dem Balkon – wo sie hingehört.

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  • Das Volk

    Heute musste ich schon wieder eine offizielle Entscheidung treffen, denn es gab mal wieder einen Volksentscheid. Dieses Mal ging es darum, ob der Strom billiger und grüner wird. Das zumindest dachten offenbar ziemlich viele aber zum Glück nicht genug Berliner.

    Natürlich wird der Strom nicht billiger, wenn man der Politik Mittel in die Hand geben will, um einen großen Fehler der Politik aus der Vergangenheit wieder gut zu machen. Ein großes Unternehmen mit knallharten Supermanagern ist sicher in der Lage, mit dem Stromnetz viel Geld zu machen. Ob eine Berliner Behörde allerdings zu etwas in der Lage ist, ist bisher unbewiesen und alle Rechenspiele sind sinnlos, solange Berlin pleiterer ist als der Rest der Welt und es eh unklar ist, ob eine solche Behörde mit der Bewerbung um das Stromnetz erfolgreich gewesen wäre.

    Mir persönlich ist es ehrlich gesagt egal, ob man möglicherweise in zehn oder zwanzig Jahren Gewinn machen kann, wenn man es nicht vorher in irgendwelchen Gremien versemmelt. Wenn ich billigeren Strom haben will, wechsele ich den Anbieter und wenn ich ein Jahr später billigeren Strom haben will, wechsele ich wieder. Das ist Demokratie im Zeitalter des Kapitalismus und nicht blödes sonntägliches Kreuzchenmachen, das ich dennoch niemals verpassen werde.

    Man wird im Alter schon ziemlich desillusioniert, wenn nicht gar konservativ und es ist fast erschreckend, dass man (also ich) sich freut, dass es ausreichend anderen auch so geht. Positiv gesagt ist das heutige Scheitern demnach ein klares Signal für mehr Volksentscheide.

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