Neues vom Schlafbaum
  • Tod und Zerstörung

    Ex-Cube

    Ex-Cube

    Das Foto zu diesem Artikel unterscheidet sich in einigen Details von dem vergleichbaren aus einem zwei Jahre alten Artikel. Wer alle Unterschiede findet, findet sicherlich mehr als ich. Ich finde: die fehlende Bambusmatte, die fortschreitende Entweißung der Wohnungswand, eine auch zur Ursache dieses Artikels passende, sehr schöne Postkarte und einen schwarzen Bildschirm.

    Ich habe keine Ahnung, wann der Cube das letzte Mal funktionierte, denn damit arbeiten konnte man nur, wenn man sich reichlich in die Tasche gelogen hat, aber diese Woche brauchte ich ihn als vorletzte Hoffnung für die Lösung eines Problems von der Arbeit. Anstatt mit mir das Problem zu lösen zeigte er mir, warum Elektronikfreaks das Wort „abrauchen“ benutzen, denn der Bildschirm blieb schwarz und ein kleines Wölkchen stieg auf.

    Das machte mich erst einmal sehr, sehr traurig. Das Problem löste ich einen Tag später auf Arbeit (wo es hingehörte) mit einer zehn Jahre alten virtuellen Maschine und der Cube steht ab jetzt (wie eigentlich schon vorher) nur noch zur Zierde im Zimmer.

    Nun soll sein Tod nicht endgültig sein, denn ich bin an Schaltplänen, Zange und Lötkolben nicht völlig ungeübt und wenn mir danach ist, baue ich im Laufe des Jahres einen Frankenstein-Cube – oder sowas in die Richtung.

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  • Der Weg ist mehr als das Ziel

    Ich habe damals die erste Episode von „Life is Strange“ sehr positiv besprochen und mich seit dem zurückgehalten, die nächsten drei Folgen gespielt, war währenddessen überrascht, bestätigt, erschrocken, angetan und habe in jeder Folge an irgendeiner Stelle geheult wie ein Schlosshund (was auch immer Hunde in Schlössern so umtreibt). Das Spiel hat mich auf jeden Fall erheblich bewegt und die Episodengeschichte mit der jeweils langen Wartezeit auf den nächsten Teil tat ihr Übriges. Die Zeit zwischen den Folgen habe ich intensiv genutzt um mir selbst Gedanken über den Verlauf zu machen und ebenso im Netz die viel klügeren Gedanken anderer Spieler zu hören. Mit all diesem Wissen war der Ausgang des Spiels durchaus erwartet und nach dem Durchspielen der letzten Episode vielleicht auch etwas enttäuschend, aber man muss dieses Spiel auf sich wirken lassen.

    In der letzten Folge ist vieles enervierend, ich wollte im ersten Anlauf auch nur schnell durch und habe mir das weniger gewählte Ende ausgesucht, aber beim nächsten Mal entdeckt man nicht nur viele Seitenhiebe auf das Spiel selbst, sondern es lohnt sich, auf dem Weg zum Ende jeder einzelnen Sekunde Sprachausgabe zuzuhören, sich Gedanken dazu zu machen und beim anderen Ende nochmal viele Minuten zu überlegen, wie sehr einen fiktive Charaktere und ihr Schicksal mitnehmen können.

    Es bleibt die Gewissheit, dass der Mensch nicht in der Lage ist, ein Spiel zu machen, das jede einzelne Spielerentscheidung sinnvoll berücksichtigen kann, aber viel wichtiger ist die Gewissheit, dass der Mensch noch viel, viel mehr nicht kann:

    Wir entscheiden jeden Tag so viele Dinge und wir können im Gegenteil zur Spielfigur niemals zurück, aber wir sollten in den meisten Fällen sicher sein, dass wir die beste Entscheidung getroffen haben (die im Großen und Ganzen in der Regel trotzdem falsch war, aber wir haben es versucht und ja dennoch einigermaßen weit gebracht…)

    Zurück aus der Metaebene: Das Spiel hat über Monate eine extrem emotionale Geschichte erzählt, die mit ihrer Darstellung, der Atmosphäre, der Musik derart fesselnd war, dass man über erzählerische und technische Probleme jederzeit hinwegsehen konnte.

    Ich habe noch niemals ein solches Spiel erlebt und ich bezweifle, dass ich es nochmal werde. Für die Leute, die das Spiel nicht erleben wollen, gibt es immerhin auf Spotify den Soundtrack. Vielleicht reizt der ja.

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  • Entfleckung

    Vor knapp einem Jahr war mir nach viel Geld ausgeben, weshalb ich mir einen neuen iMac kaufte – wie immer „Generalüberholt“, wie es auf Deutsch so schrecklich heißt. Der war und ist super und ich pfeife auf Retina. Im Store habe ich heute wieder vergessen, mir so ein Gerät mal anzuschauen und dass mein neues Arbeitsnotebook einen Bildschirm mit verdammt vielen Pixeln hat, ist mir auch erst in dieser verrückten Systemsteuerung von Windows aufgefallen, aber wo war ich…

    Ein kleines Problemchen mit dem Gerät habe ich aus Faulheit elf Monate zu ignorieren versucht: Unten am Bildschirm waren zwischen Display und Scheibe links Fingerabdrücke von armen, kleinen Chinesen und rechts eigenartige dunkle Streifen. Nun hat wie ich vermutlich kein Mainzer (so korrigiert Mac OS „Macnutzer“) am unteren Rand helle Fenster und sieht das demnach kaum, aber wenn ich das Ding in ein paar Jahren verkaufen will, wird jemand darauf schauen und mir hundert Euro abziehen, daher habe ich mich wenige Wochen vor Ablauf der Garantie zum Reklamieren überwunden und muss einmal mehr sagen, dass Apple zwar etwas mehr Geld für seine Sachen haben will, der Service aber grandios ist:

    Ein schnelles, freundliches Telefongespräch (nach dem die gute Frau am Telefon drei Stunden meine Musik im Netz gehört zu haben scheint), ein Termin im Apple Store, eine klare Aussage, dass ich die 480 Euro für den Austausch des Displays nicht zahlen muss und heute war das Ding schon fertig und fleckenfrei. Auch war die Fehlerdiagnose im Store aus technischer Sicht sehr spannend: Ich hätte nichtmal die Kontoauszüge und Pornos vorher vom Gerät löschen müssen, denn die brauchen dafür keine Festplatte.

    Dafür bedanke ich mich herzlich und nahm das typische Geduze im Laden genauso in Kauf wie die sieben Kilometer, die ich das Ding auf dem Gepäckträger im Dunkeln durch Berlin fahren musste. Es ist nichts passiert – so heruntergekommen und kriminell scheint die Stadt also doch noch nicht zu sein, zumindest in Schöneberg und Charlottenburg.

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  • Spielempfehlung: Life Is Strange

    Life Is Strange

    Life Is Strange

    Wenn man wie ich seine jugendlich hormonverseuchte Suche nach Sinn sich erheblich durch John Hughes‘ FilmausstoßExterner Link beeinflussen ließ, dazu vielleicht noch ein Schuss GooniesExterner Link und Stand By MeExterner Link, dann bleibt man ein Leben lang empfänglich für Coming-of-age-Highschool-Mystery-Krams. Darum hat mich „Life Is Strange“Externer Link auch relativ schnell gepackt, während Menschen, die zehn oder mehr Jahre jünger sind und nur Disney und Vampirschnulzen kennen, wogegen Donnie DarkoExterner Link nun allein nicht ankämpfen konnte, vielleicht etwas ratlos vor dem Spiel stehen. Auch bin ich möglicherweise alt genug, um einige Kritikpunkte erst garnicht zu sehen, aber ich fange doch lieber vorne an:

    In fünf Episoden will ein französisches Studio eine mysteriöse Geschichte um ein Mädchen auf einem amerikanischen College erzählen, mit dem und um das das ein oder andere vorgeht (um es mit den Worten von Perd HapleyExterner Link auszudrücken). Die erste Episode erschien zu meinem Geburtstag, die anderen folgen regelmäßig bis zum Herbst. Mit der ersten habe ich nun knapp vier Stunden verbracht und fand sie fesselnd, großartig und zugegeben gar bewegender, als mir lieb ist. Ich fand sie großartig, obwohl:

    • ich trotz Flashbacks und ihrer Gedanken nicht so recht weiß, was das Problem der Spielfigur ist
    • die Charaktere ziemlich stereotyp sind, wenngleich mit unterschiedlichem Erfolg versucht wird, ihnen Tiefe oder überraschendes Verhalten zu geben
    • die Spielmechanik des Zurückdrehens der Zeit trotzdem nichts an der Linearität des Spiels ändert, sondern diese teilweise noch verstärkt, wenn man sieht, dass verschiedene Entscheidungen bis auf einen Satz zum selben Dialog führen und die Zeitreise (wie üblich) nicht logisch zu Ende gedacht ist
    • ich im Spiel eingestehen muss, dass ich an diesen ganzen Emo-Indie-Hipster-Scheiß offenbar viel näher dran bin, als mir lieb ist
    • es viele kleine und größere Seltsamkeiten bezüglich Logik und Verhalten der Figuren gibt
    • der TrailerExterner Link ein komplett anderes Bild vom Spiel vermittelt

     

    Ich fand sie großartig, weil:

    • die Stimmung im ganzen Spiel nachvollziehbar und passend ist und mit wenig Mitteln hervorragend diese grundlose Achtzigerjahre-Teenie-Basisdepression vermittelt
    • der Grafikstil und all die Dinge, die man sich anschauen kann, perfekt dazu passen
    • die Songersingwritermusik und deren Platzierung in der Geschichte dieses noch verstärkt
    • ich offenbar so alt bin, dass ich mich nicht mehr wundere, ob Achtzehnjährige in den USA heutzutage wirklich so aussehen und sprechen
    • der Spielfluss nie zum erliegen kommt und nie schneller ist als Schrittgeschwindigkeit
    • es in Umgebung, dem nebenbei entstehenden Tagebuch, den Dia- und Monologen durchweg nicht dämlich zugeht, zumindest soweit ich das bei Themen wie Popkultur, Fotografie und jüngere Kunstgeschichte beurteilen kann (also sehr, wenig und kaum)
    • ich mich trotz oder wegen all der genannten Punkte in dem Spiel beispielsweise unglaublich davon fesseln lassen kann, einfach mal eine Minute die auf einer Schaukel sitzenden Spielfigur bei ihren Gedanken an die Vergangenheit zu Begleiten

     

    Der Trailer macht mir noch etwas Sorgen, denn er nährt die Furcht, die Langsamkeit der ersten Episode könnte sich im Laufe des Spiels in unnötiger Hektik verlieren. Das wäre schade, aber ich werde es in Kauf nehmen, nur um die Leute im Spiel näher kennenzulernen und die Geschichte weiter zu erfahren.

    Wer immer am Gamepad seinen Sinn für Zeit, Ruhe und Gefühl behält und nicht sauer ist, dass in der ganzen Episode nur zwei Pistolen vorkommen und ganz wenig Blut, dem ist dieses Spiel von mir wärmstens empfohlen.

    Wer immer diesen wirren Bericht mit den vermutlich meisten Popkulturreferenzen, die ich je in einem Artikel benutzt habe, nicht verstanden hat, dem nicht.

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