Hauptsache Helm
Wann immer ein Radfahrer von einem blinden Autofahrer fast oder ganz totgefahren wird, schreien die Autophilen, dass der Radfahrer kein Licht hatte, keine Warnweste trug und vor allem keinen Helm. Da ist es auch egal, ob der Unfall an einem Junimittag oder in der aktuellen ewigen Finsternis geschah und vor allem, dass er in der Regel geschah, weil der Radfahrer von einem Rechtsabbieger „übersehen“ wurde. Es wird mir im Leben nicht begreiflich sein, wie man ein Fahrzeug beschleunigen kann, ohne sichergestellt zu haben, dass es bauart- oder launebedingt keine Möglichkeit gibt, irgendetwas zu übersehen: Das ist eben der Preis der Mobilität. Ich könnte mich jeden Tag überfahren lassen, wenn ich wollte, aber das hebe ich mir auf. Und wenn mir eine Tonne Blech über die Beine fährt bin ich echt froh, einen Helm getragen zu haben. Darüber wollte ich aber garnicht schreiben.
Ich wollte über Radfahrer schreiben und diese Einleitung war ein schönes Beispiel für das Relativieren seitens der Autofahrer, wenn mal wieder darüber diskutiert wird, dass niemand von ihnen blinkt, viele nicht an roten Ampeln halten, zu eng überholen und jeder parkt, wo er möglichst allen im Weg steht: „Aber die anderen sind doch auch doof.“
Die anderen sind tatsächlich doof: Heute hätte ich wieder einmal gern gleich zwei Radfahrern ihr Rad quer zu fressen gegeben: Früh fuhr ich (widerrechtlich) auf einem sehr breiten Fußweg am Volkspark Schöneberg und bremste auf Schrittgeschwindigkeit, weil mir ein Vater mit zwei freilaufenden Kindern entgegenkam. Warum um alles in der Welt muss dort auf weniger als zwei Metern Breite ein Radfahrer zwischen mir und den Kindern durchrasen? Nachmittags komme ich mit einem Kasten Bier aus der KW-Passage, der mir fast von einem Radfahrer in relativ hohem Tempo aus der Hand gerissen wurde. Die beiden konnten es sich leisten, denn sie trugen einen Helm. Tatsächlich hält sich gefühlt nur eine Minderheit der Radfahrer an Regeln und von der Mehrheit trägt die Mehrheit einen Helm. Was soll man auch für irgendwen verantwortlich sein, wenn man selbst geschützt ist?
Ich weiß gerade nicht, wohin ich mit diesem Artikel will: Vermutlich will ich mich einfach nur aufregen. Die Spitze sind übrigens Väter mit Helm und Kind hinten im Kindersitz auf dem Gehweg. Menschen, die in diesem Kindersitz aufwachsen, werde ich später meine Rente vermutlich mit gezogener Schusswaffe entreißen müssen, denn Keule geht nicht: Sie tragen ja einen Helm.