Neues vom Schlafbaum
  • Freiräume schaffen

    Freifläche

    Freifläche

    Der Überschrift geschuldet will ich kurz von einem Freiraum schreiben: das Tempelhofer Feld. Über dieses entscheidet mal wieder das Volk und wieder soll ein Zustand erhalten werden: War es damals die Rolle als Flughafen, ist es nun die Rolle als plattes Brachland, das mir ja zugegeben gefällt, das deshalb aber wegen mir noch lange nicht so bleiben muss, wie es jetzt ist. Ich lobte damals die Weite und den Horizont und es war wieder toll, im Herbst dort in den Sonnenuntergang zu fahren. Beim Blick nach Westen kann man sich aber dank Hitler und Speer schon heute einen Eindruck von Randbebauung machen und so schlimm finde ich das nicht.

    Klar besteht die Gefahr, dass ein bebauter Flächenrand nur einen neuen unbebauten Flächenrand entstehen lässt, der natürlich ebenfalls bebaut werden soll und sich diese Kette bis zum Verschwinden des Freiraums fortsetzen könnte, aber selbst wenn: Bis vor ein paar Jahren konnte man garnicht auf das Gelände und jetzt will kein Berliner mehr auf das Grillen, Kitesurfen (bis mal ein Radfahrer von so einer Strippe geköpft wird) und sonstigen Wohlstandsblödsinn verzichten können? Und dabei sollte das Gelände doch abgesperrter Flughafen bleiben…

    Kommen wir nun zu wichtigen Dingen, also den rund elf Quadratmetern Wand, deren Tiefe durch die Raufasertapete ich großzügig abrunde und damit eine Freifläche erzeuge, über deren Zukunft ich komplett im Unklaren bin. Entstanden ist sie durch die Überlegung, dass ich so kurz vor vierzig kein Plakat von „Breakfast Club“ mehr an der Wand benötige und ebenso wenig eine analoge Stadtkarte, auf der Tempelhof noch Flughafen ist. Bilder zum Aufhängen habe ich nicht mehr, irgendwo Kunst kaufen finde ich snobistisch, zum Dranbeamen habe ich keine Inhalte und Regale halten nicht in der Wand.

    Was tun in diesem Fall erwachsene Menschen mit dieser Wand?

     

    ps: Hey, meine erste Hitler-Kombo in fast acht Jahren Bloggen. Die Welt macht es einem aber auch echt schwer, dieses Arschloch zu vergessen.

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  • Die Geier kreisen

    In guter deutscher Tradition und mit ebensolcher Akribie arbeitet der euphemistisch genannte „Beitragsservice“, um lückenlos das Glotzvieh abzukassieren, das man sich in jahrelanger Strategie selbst erschaffen hat. Nun bin auch ich zum Vieh geworden: Statt der CD aus Dänemark, auf die ich seit einem Monat und daher nicht mehr warte, fand sich postalisch die traurige Nachricht aus Köln im Briefkasten, man könne ja zu meiner Wohnung garkein Beitragskonto finden. Kann man auch nicht, weil ich mit der Absurdität des neuen Rondfonkstaatsvertrags so lange irgend möglich zu entziehen entschlossen hatte.

    Nochmal zur Geschichte dieser Gesetzesänderung: Das ZDF und die unzählbaren Clone, die sich ARD nennen entdecken irgendwann das Internet, nachdem sie vorher schon völlig unbegründet die inhaltliche Konkurrenz zu Privatsendern entdeckt gemeint hatten. Fortan gibt es einige Angebote im Internet, auch wenn niemand darum gebeten hat. So konnte man als erstes beispielsweise Radio hören, also auch mein Kumpel in Neuseeland Frau Töpperwien im Westfalenstadion schreien hören. Der musste im Gegensatz zu mir aber nicht bezahlen, denn zwar endet die Gebührenordnung an der Staatsgrenze, nicht aber dieses eigenartige Internet.

    Einige Jahre später bemerkt man, dass damit ja plötzlich viel mehr Leute öffentlich unrechtes empfangen können als früher (und als wollen) und dass man damit auch bitteschön Geld von denen haben möchte, die bewusst auf Fernseher und Radio verzichten, um auch weiterhin noch einigermaßen geradeausdenken zu können.

    Das ist, als wenn der Konditor hier im Kiez jeden Abend an jede Wohnzimmerscheibe eine Torte schmeißt und Jahre später den Staat bittet, doch gerne von jedem Wohnungsinsassen das Geld dafür einzutreiben.

    Nun bin ich letztlich auch nur deutscher, knicke also bei der ersten behördenartigen Anfrage ein und werde fortan zahlen, selbstverständlich aber nur 17,97 Euro, per Überweisung, auf den letzten Drücker, unter Vorbehalt und den letzten Cent erst nach der ersten Mahnung, denn der Deutsche ist nicht nur Vieh, sondern auch Querulant.

    Jetzt nutze ich meinen Urlaub, um rund um die Uhr auf zdf Info alles über Hitler zu lernen. Man muss das Bezahlte schließlich Nutzen und so lerne ich vielleicht auch, den „Beitragsservice“ besser zu verstehen.

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  • Musikempfehlung: Warpaint – The Fool

    wtfWarpaint sind vier Frauen, die einigermaßen düstere Musik in klassicher Rock-Intrumentierung machen und vor kurzem ihre zweite Platte rausgebracht haben. Die erste erschien vor vier Jahren und war offenbar in aller Munde, außer denen in meiner Hörreichweite, daher habe ich die Band mit beiden Platten erst jetzt kennengelernt, was schade ist.

    Ihre Musik durchziehen einige Konstanten:

    • oft mehrstimmiger Gesang von traurigem Geseier und irgendwas zwischen Fee und Sirene
    • gutes, relativ komplexes und treibendes Schlagzeug
    • schöne Klang- und Melodiezitate aus Wavezeiten von Cure bis New Order
    • großzügiger Verzicht auf traditionelle Liedstrukturen mit immerhin meist klar erkennbaren Refrains
    • komplett fehlendes Gespür für das befriedigende Ende von Liedern oder Platten

    Das klingt insgesamt eher negativ, ist es aber nicht: Auch wenn die Stücke im einzelnen zerfasert und teils beliebig aneinander gehängt erscheinen, ergibt die Platte im ganzen einen wunderbaren Fluss aus einer konstant melancholischen Stimmung, die einen am Ende durchaus zufrieden und froh dastehen lässt. So merkwürdig die Kombination der einzelnen Eigenschaften klingt, so wunderbar funktioniert sie – auf der alten Platte.

    Auf der neuen geht es zunächst gewohnt weiter, driftet dann aber in Beliebigkeit, als suchten sie ihren weiteren musikalischen Weg oder ihren eigenen Sound, kämen aber alle zu einem unterschiedlichen Ergebnis. Man soll traurig sein, in Klängen schweben, dann wieder tanzen, was vielleicht noch ginge, fehlte nicht dieses Mal das zusammenhaltende, wenn auch geklaute Klangbild der ersten Platte.

    Trotz allem sind beide Platten recht großartig und wer auf Steigerungen steht kann ja die neue zuerst hören und hoffen, dass sich die vier in vier Jahren musikalisch wieder gefunden haben. Eine Unverschämtheit der Band ist es übrigens, nicht in Berlin zu spielen.

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  • Immer ans Rad

    Vorderrad again

    Vorderrad again

    Es scheint ja eine gute Tradition zu werden, mir an einem relativ neuen Fahrrad das Vorderrad aus der geraden Form zu verunfallen. Dieses Mal war es keine arme, polnische Erasmusstudentin, sondern ein Mercedesüberführer aus Stuttgart, der beim Abbiegen übersah, dass ich ihm entgegenkam. Langsam, auf geräumter Straße, mit Licht mitten am Tage.

    Die Schuldfrage war sehr schnell einvernehmlich geklärt und mir ist außer einem kleinen Rutscher über die Motorhaube und einem Schlag auf den Fuß auch nichts passiert, daher haben wir die in der Gegend überaus präsente Polizei auch gleich wieder weggeschickt. Das Vorderrad ist tatsächlich nicht ganz so unbrauchbar wie damals bei dem Fahrradunfall, aber erneuern muss man es sicher auch in diesem Fall. Zum Glück habe ich Urlaub und es ist so kalt, dass ich das Rad nicht so schrecklich vermissen werde, wenn ich es Montag zum Fahrradmann bringe. Die Zahlung der Rechnung sehe ich quasi als Länderfinanzausgleich.

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