Neues vom Schlafbaum
  • Musikempfehlung: Caspian

    Manchmal erleiden Bands das ihnen zu Recht gleichgültige, da unbekannte Schicksal, Soundtrack zu etwas in meinem Leben zu werden. Die Editors oder Cure können ein Lied davon singen – wobei sie das ehrlich gesagt beide nicht mehr tun sollten.

    Jetzt hat es Caspian erwischt. Selbst als großer Freund des Post Rock habe ich diese Band lange ignoriert, weil sie aus meinem baldigen Gastland stammt und man das als Post Rock-Band in meinen Augen nicht tut. Da kommt man aus Skandinavien oder Japan, vielleicht noch aus Schottland, aber in den USA gibt es nur Miley Cyrus.

    Ihre letzte Platte „Waking Season“ allerdings war die zweitperfekteste Post Rock-Platte in der Liga unter Mono, die mir bekannt ist und lief bei mir in diesem Jahr und damit viel zu spät auf und ab. Nach Schicksalsschlag und einer EP haben die Jungs jetzt eine neue Platte rausgebracht, der das vermutlich auch gelingen wird.

    Das mit dem Soundtrack meinem Leben mir lasse ich mal beiseite, denn es ist akut und im Besonderen zwar nicht wie gewünscht, aber keineswegs schlecht und außerdem ist die Platte eh ein Soundtrack zur Situation der Band.

    Die Stunde Musik vergeht irritierend verkehrstechnisch, nämlich sowohl in einem Zug als auch wie im Flug, dabei ist sie für Post Rock ungewöhnlich undynamisch, nur einmal wird es – dafür aber erheblich – laut und kratzig, es gibt Stücke unter fünf Minuten und einmal wird sogar gesungen. Eindrucksvoll ist, dass die Stücke sowohl alleine als auch im Gesamtkontext auf jeweils eigene Weise wunderbar funktionieren.

    Mit „Ríoseco“ und dem Titelstück sind zwei richtige Hammer dabei. Gerade letzteres wird anderswo im Netz sehr gefeiert, was ich erst aufgrund des etwas abseitigen Gefrikels nicht ganz verstehen konnte. Nach mehrmaligem Hören bin ich dann aber doch der Meinung, dass die letzten sieben Minuten gern auch noch einundzwanzig hätten weitergehen können, oder auch einundzwanzig Tage. Das ist dann auch der einzige Kritikpunkt.

    Ich freue mich auf das Konzert, auch wenn ich der Tatsache, dass es erheblich lauter werden könnte als das damalige Konzert von Oceansize im Knaak, noch misstrauisch gegenüberstehe.

  • Einwanderungsbremse

    Ich war schon in verschiedenen Ländern, die nicht meines sind und nie war es ein Problem, dort hinzukommen, mal die nur am Rande mitbekommenden Quälereien an der ehemaligen Zonengrenze beiseite gelassen.

    Im Herbst plane ich grob, in das Land der Freien und der Heimat der Tapferen zu fliegen, wenngleich bisher noch nicht ausgeschlossen ist, dass es eine fixe Idee bleibt. Dafür habe ich bereits erfolgreich einen Reisepass besorgt, wobei ich etwas verwundert war, dass mir dieser diese Woche im Bürgeramt ohne jede weitere Kontrolle übergeben wurde. Ich bin mir sicher, der Herr hinter der Theke hat sich nicht einmal mein Foto angeschaut. Wobei ein deutscher Pass derzeit ja auch nicht so begehrt ist wie ein syrischer.

    Der nächste Schritt ist das esta-Formular. Damit gibt es offenbar im Moment etwas Probleme, denn das Formular im Internet lädt in jedem Schritt absurd langsam und wenn man die deutsche Fassung wählt, was sich für mich anbietet, bleibt der ein oder andere Lacher nicht aus. Dass man ganz offen gefragt wird, ob man unter einem Decknamen bekannt ist oder nach terroristischen Angriffen trachtet, ist ebenso witzig wie die Übersetzungen einzelner Überschriften wie „Speisekarte“, „Wegbeschreibung“, oder „Überprüfen Sie Ihre Anwendung“. Ob ich am weichen Schlanker erkrankt bin, konnte ich verneinen und mein Trauma durch den Besuch der entsprechenden Wikipediaseite laste ich direkt dem DoHS an.

    Viel schlimmer ist, dass ich den Antrag bisher nicht abschließen kann, weil nicht nur die Ladezeiten an meinen Nerven zehren, sondern auch in jedem neuen Formular wieder neue Probleme auftraten, weil ich Pflichtfelder nicht ausfüllen darf, oder Bestätigungen nicht angenommen werden und wenn das alles doch klappt, scheitert es an der Verschlüsselung der Kreditkartendaten. Warum werden die überhaupt verschlüsselt, wenn die dort drüben eh schon jeder weiß?

    Vermutlich ist das ein reines IT-Problem: Die Seiten wurden neulich neu aufgesetzt, um aktuellen Bedürfnissen zu entsprechen. Sie sind also hochgradig intercative, responsive und all dieser moderne Scheiß. Dann kann man natürlich nicht einfach irgendwo einen Schritt zurückgehen, wenn etwas nicht klappt, sondern fängt in neuer Session von vorne an. Noch dazu sagt mir jetzt Firefox unter Windows, dass das Verschlüsselungszertifikat nicht echt ist, was ich aber hinnehme, weil ich mich zur Verschlüsselung oben schon entsprechend geäußert habe.

    Wie wäre es für die Bundesregierung, ein ähnliches Formular für die Zuwanderer aus dem Süden einzurichten? Das wäre vermutlich deutlich abschreckender als hoher Seegang. 

    Aktualisiert am folgenden Morgen:

    Ich habe unter Zuhilfenahme einiger Biere und einem Stofftier zum Anschreien doch noch erfolgreich die 14 Euro Eintritt bezahlt. Ich hoffe, der Beamte am Flughafen findet in seinem Computer den entsprechenden Hinweis, nachdem er das falsche Zertifikat bestätigt hat.

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  • Karmafrage

    Gladbach hat nun das vierte Ligaspiel in Folge verdient und unter glaubwürdiger Darstellung absoluter Hilflosigkeit im Spielaufbau gegen einen mittelmäßigen Gegner verloren und ich mache mir weiterhin intensiv Gedanken über die Gründe, wenngleich noch nicht über möglichen Folgen.

    Offensichtliche Gründe wie Höhenrausch nach der letzten Saison, den Verlust von Kramer und Kruse (den ich noch immer nicht so sehr bedaure), den bedeutenden langen Ausfall von Stranzl (der sich heute gleich wieder schwer verletzt hat) und Dominguez, die natürliche Übergarstigkeit von Xhaka will ich dem Kicker-Forum überlassen, während ich es auf der Metaebene probiere:

    Ausgeschlossen als Ursache ist mittlerweile der Ort, an dem ich die Spiele schaue, denn nur 2,5 Halbzeiten habe ich in der wiedereröffneten Blues Garage gesehen. Auch an meiner Motivation kann es nicht liegen, denn ich bin jedes Spiel wieder voller Hoffnung angegangen und stand auch nur Bruchteile davon unter geringem Alkoholeinfluss.

    Mögliche Ursache kann also nur noch die Tatsache sein, dass es das vierte von vier Ligaspielen „exklusiv“, also zu einer Zeit anders als Samstag 15:30 Uhr war. An bestimmten Kommentatoren von Sky lag es auch nicht – nur einmal war es Reif.

    Vermutlich allerdings liegt es an der relativ großen Gladbachfahne, die ich in Elternzeitabwesenheit meines lieben Kollegen an seiner Wand aufgehängt habe, um die zahlreichen Fotos seines Sohnes und Agitationsposter gegen Totalüberwachung und Karnismus zumindest eine Weile nicht jede Arbeitssekunde sehen zu müssen. Als guter Europäer habe ich natürlich in seiner Anwesenheit nie etwas gesagt und sie tun mir ja auch nicht doll weh, aber wenn er wieder da ist (oder das hier in seiner Abwesenheit liest), sollte ich mit ihm mal darüber reden, ob er sie nicht vielleicht in meinem Rücken, also seinem Sichtfeld aufhängen möchte. Dann wäre dem Karma zugute getan und Gladbach kann erfrischt den Klassenerhalt angehen.

    Noch dazu haben die Patriots letzte Nacht extrem überlegen gewonnen. Meine Hoffnungen liegen also derzeit auf Sonntag Abend.

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  • Mehrverkehr

    Habe ich vor ein paar Wochen noch die leere Stadt gelobt, die ich in den Sommerferien vorfand, muss ich spätestens seit dieser Woche vom absoluten Gegenteil berichten, denn die Straßen sind so voll, dass man fast aggressiv werden kann: Knoten von Autos mit Fahrern, die nie gelernt haben, eine schon verstopfte Kreuzung nicht noch einzufahren, lösen sich am Kleistpark oder Bundesplatz garnicht mehr auf, jeder muss seine noch so große Karre in das kleinste Loch stecken, sei es in einem Parkplatz, oder auf dem Gehweg. In beidseitig befahrbaren, einspurigen Straßen gibt niemand nach, sondern Gas. Wobei die Straße ja eigentlich dreispurig ist, aber zwei davon für das gottgegebene Recht auf einen Parkplatz vorm Haus missbraucht werden. Warum gibt es in Berlin eigentlich keine Einbahnstraßen? Nur, weil sich niemand dran hält? Selbst im Supermarkt gab es heute Stau, weil ein mittelalter Vater die Leergutrückgabe zu einem Spielplatz für seine Töchter machen musste.

    Ich habe drei Theorien für meinen derzeitigen Eindruck:

    Die wahrscheinlichste ist, dass ich über den Genuss der ruhigen Zeit hinweg einfach vergessen habe, wie schrecklich es vor Ferienbeginn war. Schlimme Erlebnisse müssen zum Glück absurd schlimm sein, um sich langfristig an sie zu erinnern. Der Rest der Erinnerung ist ja immer nur Freude.

    Vielleicht haben aber auch alle Berliner in den Sommerferien gedacht, dass es so schön leer auf den Straßen ist, dass sie sich endlich den Wunsch erfüllen könnten, ein eigenes Auto zu besitzen, mit dem man Sonntags nicht schon um sieben am Haus sein muss, um den Tatort nicht zu verpassen.

    Oder aber das sind all die syrischen Ärzte und Ingenieure, die zur Arbeit fahren. Wobei wir bei den Verkehrschaos eine Rutsche neuer Unfallärzte sicher gut gebrauchen können.

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