Neues vom Schlafbaum
  • Zur Menschenwürde

    Während meiner Reise schrieb ich in den Reisebericht:
    „…Am Stadionausgang stand man in einer ordentlichen Schlange und am Zug war jeweils nur ein leerer Waggon so lange geöffnet, bis er voll war und man wurde entsprechend eingewiesen.

    Das wäre in Deutschland schon Einschränkung der persönlichen Entfaltung und in Kreuzberg ein Anschlag auf die Menschenrechte. Mir gefällt es dennoch besser als das Chaos an der S-Bahn vorm Olympiastadion.

    Schlagen verwalten können die Amerikaner.“

    Im Laufe meiner Reise stand ich fünf Mal an Flughäfen an teilweise mehreren Schlangen an, dazu am Stadion und verschiedenen Sehenswürdigkeiten. Es gab Hand- und Nacktscanner, Sicherheitstore und außer in Frankreich gab es dazu jeweils freundliches, zuvorkommendes und verzeihendes Personal. Durch die Absperrbänder gab es kein Gedrängel, durch fehlendes Gedrängel keinen Unmut und vorne wurde dafür gesorgt, dass die Schlange immer in Bewegung ist. Auf das Ausziehen der Schuhe könnte ich verzichten, aber ansonsten habe ich mit all dem Prozedere keine Schwierigkeiten, sehe es nicht zwangsläufig als Sicherheitsgewinn, aber auch nicht als Einschränkung.

    Selbst wenn alles nur Schikane wäre und man Schikane nicht durch andere relativieren soll: Das erste Sicherheitstor an einer Sehenswürdigkeit durchschritt ich vor mehr als zehn Jahren im Reichstag und das Anstehen am Olympiastadion ist in jedem Aspekt deutlich stressiger als in Century Link oder MetLife und dazu wird man hier auf dem Weg ins Stadion noch von hilflosen Hilfsarbeitern angefasst. Das würde in den USA niemand wagen.

    Warum ich auf mein Geschimpfe an dieser Stelle noch eines draufsetzen musste?
    Im Tagesspiegel schreibtExterner Link meine geschätzte, freiraumsüchtige, Rosabrillenträgerin heute tatsächlich im Zusammenhang mit solchen Kontrollen und Wartezeiten nicht nur von Menschenrecht, sondern sogar von Menschenwürde. Ihr wird immerhin in den Kommentaren erklärt, welche unwürdige Unverschämtheit das gegenüber Menschen ist, denen tatsächlich ihre Würde genommen wurde.

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  • Einwanderungsbremse

    Ich war schon in verschiedenen Ländern, die nicht meines sind und nie war es ein Problem, dort hinzukommen, mal die nur am Rande mitbekommenden Quälereien an der ehemaligen Zonengrenze beiseite gelassen.

    Im Herbst plane ich grob, in das Land der Freien und der Heimat der Tapferen zu fliegen, wenngleich bisher noch nicht ausgeschlossen ist, dass es eine fixe Idee bleibt. Dafür habe ich bereits erfolgreich einen Reisepass besorgt, wobei ich etwas verwundert war, dass mir dieser diese Woche im Bürgeramt ohne jede weitere Kontrolle übergeben wurde. Ich bin mir sicher, der Herr hinter der Theke hat sich nicht einmal mein Foto angeschaut. Wobei ein deutscher Pass derzeit ja auch nicht so begehrt ist wie ein syrischer.

    Der nächste Schritt ist das esta-Formular. Damit gibt es offenbar im Moment etwas Probleme, denn das Formular im Internet lädt in jedem Schritt absurd langsam und wenn man die deutsche Fassung wählt, was sich für mich anbietet, bleibt der ein oder andere Lacher nicht aus. Dass man ganz offen gefragt wird, ob man unter einem Decknamen bekannt ist oder nach terroristischen Angriffen trachtet, ist ebenso witzig wie die Übersetzungen einzelner Überschriften wie „Speisekarte“, „Wegbeschreibung“, oder „Überprüfen Sie Ihre Anwendung“. Ob ich am weichen Schlanker erkrankt bin, konnte ich verneinen und mein Trauma durch den Besuch der entsprechenden Wikipediaseite laste ich direkt dem DoHS an.

    Viel schlimmer ist, dass ich den Antrag bisher nicht abschließen kann, weil nicht nur die Ladezeiten an meinen Nerven zehren, sondern auch in jedem neuen Formular wieder neue Probleme auftraten, weil ich Pflichtfelder nicht ausfüllen darf, oder Bestätigungen nicht angenommen werden und wenn das alles doch klappt, scheitert es an der Verschlüsselung der Kreditkartendaten. Warum werden die überhaupt verschlüsselt, wenn die dort drüben eh schon jeder weiß?

    Vermutlich ist das ein reines IT-Problem: Die Seiten wurden neulich neu aufgesetzt, um aktuellen Bedürfnissen zu entsprechen. Sie sind also hochgradig intercative, responsive und all dieser moderne Scheiß. Dann kann man natürlich nicht einfach irgendwo einen Schritt zurückgehen, wenn etwas nicht klappt, sondern fängt in neuer Session von vorne an. Noch dazu sagt mir jetzt Firefox unter Windows, dass das Verschlüsselungszertifikat nicht echt ist, was ich aber hinnehme, weil ich mich zur Verschlüsselung oben schon entsprechend geäußert habe.

    Wie wäre es für die Bundesregierung, ein ähnliches Formular für die Zuwanderer aus dem Süden einzurichten? Das wäre vermutlich deutlich abschreckender als hoher Seegang. 

    Aktualisiert am folgenden Morgen:

    Ich habe unter Zuhilfenahme einiger Biere und einem Stofftier zum Anschreien doch noch erfolgreich die 14 Euro Eintritt bezahlt. Ich hoffe, der Beamte am Flughafen findet in seinem Computer den entsprechenden Hinweis, nachdem er das falsche Zertifikat bestätigt hat.

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  • Reisen für Zeitreiche

    Der Wochenendausflug nach Mainz führte mich nicht nur erstmals dorthin, sondern auch erstmals in einen Fernbus, wie sie seit kurzem das Land durchstreifen. Ich entschied mich für meinFernbus, weil Flixbus ein saudummer Name ist und der auch noch teurer und später wieder in Berlin war und ich war soweit zufrieden: Die Fahrt war ruhig und entspannt, der Platz ausreichend, das Holz und Leder im Innenraum echt und das Internet stark genug für ein frisch gestreamtes Footballspiel. Beim Halt in Frankfurt erwischte ich das Netz eines Nachbarbusses, in dem es auch ein Medienangebot in Form mittelalter Kinofilmerfolge gab, aber das habe ich auf der Fahrt in meinem Bus nicht vermisst.

    Gern verzichtet hätte ich auf die halbe Stunde Aufenthalt an einem als McDonalds getarnten, überfüllten Affenkäfig westlich von Gotha, der die sehr lange Reise noch zusätzlich verlängerte, aber dafür muss ich mich wohl beim Gesetzgeber beschweren.

    Die acht Stunden Fahrt waren insgesamt also nicht so schlimm wie befürchtet, ich muss das aber trotzdem so schnell nicht wieder haben. Bei rechtzeitiger Buchung ist die Bahn auch nicht viel teurer und das mit dem Internet schafft die sicher auch irgendwann auch außerhalb der Strecke Berlin – Bonn.

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  • Genug der Reiserei

    Dom, Mainz

    Dom, Mainz

    Am Wochenende war ich in Mainz, weil ich geladen war. Da ich nicht viel von der Stadt gesehen habe, kann ich nicht beurteilen, ob es abseits der Einladung noch Gründe für einen Besuch gäbe. Ein Blick auf die Innenstadt legt nahe, dass diese im Krieg stark gelitten haben muss, ein paar Gassen allerdings waren sehr schön und der Weihnachtsmarkt nett und entspannt.

    Mainzer habe ich nicht kennengelernt, die allerdings, die ich den Tag über gesehen und vor allem gehört habe, muss ich auch nicht unbedingt kennenlernen, denn großzügiger Verzicht auf Stil und scharfe Konsonanten prägten Bild und Ton. Pluspunkte durch Kennenlernen des Nachtlebens oder Stadions konnte die Stadt in so kurzer Zeit nicht sammeln.

    Damit ist der letzte Platz in der kleinen Liga der in diesem Jahr von mir bereisten oder bewohnten Landeshauptstädte (oder ihrer Bahnhöfe) eindeutig vergeben, während ein Sieg Bremens hier überwiegend meiner Nordaffinität und der Kürze des Hamburgaufenthalts geschuldet wäre, ich diesen Platz daher offenlasse.

    Damit bin ich eindeutig für dieses Jahr genug herumgekommen und werde meinen Winterurlaub daher mit Ausnahme der Heimreise zum Feste vermutlich überwiegend im schönsten Ort der Welt verbringen: meinem Bett.

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