In Westen nichts Schlaues
Entgegen üblicher Arbeitsmarktstatistiken steigt in Berlin je näher der Winter rückt die Zahl der Bauarbeiter dramatisch an. Diese erkennt man auf ihrem Fahrrad morgens auf dem Weg zur Baustelle an ihren Warnwesten. Gern sieht man sie auch auf Gehwegen oder knapp an einem vorbeifahren, wenn man dusselig an der roten Ampel hält. Ob ihr Fahrrad Licht hat und es angeschaltet ist, sieht man nicht, denn es wird von der Weste überstrahlt.
Eigentlich dürfte ich nichts gegen die armen Kreaturen haben, die so voller Angst um sich selbst sind, dass sie sich freiwillig in Funktionskleidung einrollen, damit sie in der Großstadt bloß gesehen werden. Allerdings ist es ein Trend und es ist zu erwarten, dass sich dieses Verhalten mehr und mehr durchsetzt.
Eines Tages ist dann die kritische Masse erreicht und ein Jäger in seinem Auto wird weinen, dass er die gerade totgefahrene Beute ja garnicht sehen konnte, weil sie nicht wie die eben die kritische Masse eine Warnweste trug.
Damit wäre ein weiteres Mal im Straßenverkehr aufgrund niedriger Beweggründe (Angst und Egoismus) die Meinung gefestigt, dass der Schwächere dem Stärkeren nachzugeben hat. Das ist das Gegenteil meiner Definition von Menschsein und daher kämpfe ich weiter tapfer für die Westenfreiheit und sage der ängstlichen Beute: Bleib stark und lass die Weste aus, denn mit jedem Westenträger werde ich etwas unsichtbarer! Da bin ich jetzt auch mal egoistisch.