Man kann alles Gentrifizieren
Endlich ist es soweit: Auch in Sichtweite meiner Wohnung wird eine Bombenlücke mit exklusiven Eigentumswohnungen gefüllt. Grundsätzlich sieht das Haus für meinen Geschmack garnicht so schlecht aus, aber die Internetseite weiß professionell Unmut hervorzurufen: „Ein Ort der Ruhe“ ist eine gewagte Beschreibung für ein Haus 40m von der S1 entfernt. Dass man seine gehobene Badausstattung aus einem separaten Katalog auswählt ist reichlich abgehoben und dass mit dem tollen Kiez geworben wird, den man selbst gerade zu verändern beginnt, ist mindestens unsensibel. Neben der S-Bahn werden auf der Internetseite übrigens auch die Quadratmeterpreise deutlich über 3000 Euro verschwiegen.
Auch wenn das Niveau des Crellekiezes sicherlich sinken wird, je mehr die Straße zum Parkplatz für die Besucher der Shishabar am südlichen Ende verkommt, sind die jetzigen Bewohner in meinen Augen von Art und Anspruch noch relativ nah an ihren neuen Nachbarn dran und sehen auf jeden Fall auf mein Haus und was nördlich dahinter kommt mit leichter Abscheu herab. Trotzdem gibt es auch hier Menschen, die ihren Kampf gegen den Neubau mit allen Klischees von Farbbeutel bis Hitlerbärtchen aufgenommen haben und sich lediglich dadurch von ihren ebenfalls unpolitischen Freunden in Kreuzberg unterscheiden, dass sie auch Infoblättchen bereithalten.
Ich muss ja gestehen, dass ich einen Moment darüber nachgedacht habe, mein Geld auch mal zu Beton werden zu lassen, aber angesichts der Preise und der Tatsache, dass man mich eventuell verständlicherweise als Bewohner dort hassen würde, ziehe ich es weiterhin vor, es auf dem Konto auf seine Entwertung warten zu lassen – macht auch weniger Arbeit.