Neues vom Schlafbaum
  • In Westen nichts Schlaues

    Entgegen üblicher Arbeitsmarktstatistiken steigt in Berlin je näher der Winter rückt die Zahl der Bauarbeiter dramatisch an. Diese erkennt man auf ihrem Fahrrad morgens auf dem Weg zur Baustelle an ihren Warnwesten. Gern sieht man sie auch auf Gehwegen oder knapp an einem vorbeifahren, wenn man dusselig an der roten Ampel hält. Ob ihr Fahrrad Licht hat und es angeschaltet ist, sieht man nicht, denn es wird von der Weste überstrahlt.

    Eigentlich dürfte ich nichts gegen die armen Kreaturen haben, die so voller Angst um sich selbst sind, dass sie sich freiwillig in Funktionskleidung einrollen, damit sie in der Großstadt bloß gesehen werden. Allerdings ist es ein Trend und es ist zu erwarten, dass sich dieses Verhalten mehr und mehr durchsetzt.

    Eines Tages ist dann die kritische Masse erreicht und ein Jäger in seinem Auto wird weinen, dass er die gerade totgefahrene Beute ja garnicht sehen konnte, weil sie nicht wie die eben die kritische Masse eine Warnweste trug.

    Damit wäre ein weiteres Mal im Straßenverkehr aufgrund niedriger Beweggründe (Angst und Egoismus) die Meinung gefestigt, dass der Schwächere dem Stärkeren nachzugeben hat. Das ist das Gegenteil meiner Definition von Menschsein und daher kämpfe ich weiter tapfer für die Westenfreiheit und sage der ängstlichen Beute: Bleib stark und lass die Weste aus, denn mit jedem Westenträger werde ich etwas unsichtbarer! Da bin ich jetzt auch mal egoistisch.

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  • Tod und Zerstörung II

    Rathausacker

    Rathausacker

    So wenig, wie im gestrigen Beitrag Zerstörung enthalten war, so wenig ist in diesem Tod, aber es klingt dramatischer.

    Nach einem Wasserrohrbruch letzten Mittwoch sieht die Kreuzung vor dem Rathaus derzeit etwa so aus wie Anfang 1945. Der große Krater in der Mitte ist auf dem Bild sogar nur noch im Ansatz zu erkennen, aber trotzdem ist es insgesamt eine riesige Baustelle, die leider auf einer offenbar nicht unwichtigen Kreuzung stattfindet. Die Kreuzung habe ich schon immer gehasst – vielleicht nutzt man die Gelegenheit ja mal für etwas vernünftige Verkehrsplanung. Ja, ich muss selbst über den letzten Satz lachen. Bei dieser Baustelle und „Verkehrsplanung“ in Schöneberg, denke wohl nicht nur ich an die Maaßenstraße, die auch bei Sonnenschein noch immer aussieht, als wäre dort Ideologie mit voller Wucht auf die Wirklichkeit geprallt.

    Hauptschulhof

    Hauptschulhof

    Aber zurück zum Rathaus: So wie das Wasser es tat, ergießt sich nun die nächsten sieben bis zehn Wochen die elfte biblische Plage, also der motorisierte Individualverkehr über die ansonsten eigentlich schönen Straßen in der Umgebung. Die Belziger endet im Chaos, die Straßen um den Park kann man garnicht mehr befahren, was dummerweise mein Arbeitsweg ist. Ich muss mir für nächste Zeit also einen neuen aussuchen. Immerhin führt der dann nicht am Standesamt vorbei, denn Hochzeiten können dort leider trotz Baustelle stattfinden.

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  • Mehrverkehr

    Habe ich vor ein paar Wochen noch die leere Stadt gelobt, die ich in den Sommerferien vorfand, muss ich spätestens seit dieser Woche vom absoluten Gegenteil berichten, denn die Straßen sind so voll, dass man fast aggressiv werden kann: Knoten von Autos mit Fahrern, die nie gelernt haben, eine schon verstopfte Kreuzung nicht noch einzufahren, lösen sich am Kleistpark oder Bundesplatz garnicht mehr auf, jeder muss seine noch so große Karre in das kleinste Loch stecken, sei es in einem Parkplatz, oder auf dem Gehweg. In beidseitig befahrbaren, einspurigen Straßen gibt niemand nach, sondern Gas. Wobei die Straße ja eigentlich dreispurig ist, aber zwei davon für das gottgegebene Recht auf einen Parkplatz vorm Haus missbraucht werden. Warum gibt es in Berlin eigentlich keine Einbahnstraßen? Nur, weil sich niemand dran hält? Selbst im Supermarkt gab es heute Stau, weil ein mittelalter Vater die Leergutrückgabe zu einem Spielplatz für seine Töchter machen musste.

    Ich habe drei Theorien für meinen derzeitigen Eindruck:

    Die wahrscheinlichste ist, dass ich über den Genuss der ruhigen Zeit hinweg einfach vergessen habe, wie schrecklich es vor Ferienbeginn war. Schlimme Erlebnisse müssen zum Glück absurd schlimm sein, um sich langfristig an sie zu erinnern. Der Rest der Erinnerung ist ja immer nur Freude.

    Vielleicht haben aber auch alle Berliner in den Sommerferien gedacht, dass es so schön leer auf den Straßen ist, dass sie sich endlich den Wunsch erfüllen könnten, ein eigenes Auto zu besitzen, mit dem man Sonntags nicht schon um sieben am Haus sein muss, um den Tatort nicht zu verpassen.

    Oder aber das sind all die syrischen Ärzte und Ingenieure, die zur Arbeit fahren. Wobei wir bei den Verkehrschaos eine Rutsche neuer Unfallärzte sicher gut gebrauchen können.

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  • Jahressommerkurztrip

    Schattenkunst

    Schattenkunst

    Während ich das hier schreibe, Knallt es draußen gewaltig (und sorgte für die Unterbrechung des Helene-Fischer-Konzerts – da sage noch jemand, Thor hätte keinen Geschmack) und da gleiches für diese Nacht auch in Kopenhagen angesagt war und es letzte Nacht schon etwas regnete, entschloss ich mich, meinen diesjährigen, komplett spontan und untrainiert angetretenen, üblichen Sommerurlaub zu verkürzen.

    Es fehlte mir dieses Jahr offenbar etwas die Vorfreude, denn das Radfahren war an allen Tagen eher ein notwendiges Übel für das Erreichen des nächsten Strands und vielleicht war es insgesamt vielleicht drei, vier Grad zu warm, wobei ich mich selbstverständlich nicht darüber beschweren werde, dass pünktlich zu meinem Sommerurlaub der Sommer tatsächlich ein solcher geworden ist.

    Eigentlich war es schön: Es gab neue Orte (die aber genauso waren, wie die anderen), es gab vielerorts Bühnen mit Musik und Krams (wobei ich mit Dänischen Bauchrednern wenig anfangen konnte) und ich bekomme langsam wirklich Lust, auch mal ein paar Tage länger am selben Strand zu liegen und einfach nur zu lesen, zu spazieren oder vielleicht was mit anderen Menschen… Nein – das wäre absurd. Außerdem hasse ich dieses Geklebe von Sonnencreme und dieses Jahr besonders die stechenden Insekten.

    Mein Fernweh ist erstmal wieder beruhigt, meine Haut braun und die zweite Woche tue ich mich jetzt an Faxe Kondi und Carlsberg aus Dosen ohne Pfand gütlich. Das ist auch Urlaub und der hat den Vorteil, dass ich nicht beim Schlafengehen erbärmlich friere, beim Aufwachen wenige Stunden später brutal schwitze und bei Regen nochmal rausmuss um Strippen festzuziehen.

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