Neues vom Schlafbaum
  • Fussball!

    Nachdem ich wie immer auf verschiedene Weise jedes Spiel der WM gesehen, genossen oder erlitten habe, gestern das Halbfinale mit Deutschland drin noch in fröhlicher Runde mit Leuten, die „Fussball!“ rufen, schauen durfte und nachdem wir das Irreale an dem Spiel beiseite gelegt hatten, war uns nach Abpfiff klar, dass wir das zweite Halbfinale besser nicht schauen sollten, da es ohne ein frühes Tor, sehr, sehr, sehr zäh werden würde. Das wurde es dann auch und ich habe deshalb Schwierigkeiten, genug Pessimismus aufzubringen, um mir irgendeine Angst der deutschen Mannschaft vor dem Finalgegner vorstellen zu können. Ich zumindest kann keine dazu beisteuern.

    Davon ab beweise ich gerne schriftlich, dass ich ein großer Freund der Niederlande und ihres königlichen Fußballvereins bin, also ist es vielleicht besser, nicht gegen sie Weltmeister zu werden. Überwiegend ist aber, dass der verregnete Sommer, der Verlauf der Spiele, mein zu früher Urlaub und das irgendwie mittlerweile routinierte „public viewing“ mich davon abhielt, genau jetzt bereit dafür zu sein, ein Finale zu schauen, in dem Deutschland gegen Argentinien Weltmeister werden könnte (und verdammt nochmal sollte).

    Ich werde mich freuen, ich werde schreien, aber wenn „wir“ Weltmeister sind, ist mir das zwei Tage später egal. Ich kann mich dagegen sehr gut an das Finale ’90 erinnern, das den Grundstein für meine heutige Fußballbegeisterung gelegt hat, die zehn Jahre zuvor nach zwei Trainings in der Echternstraße getötet wurde. Solche Geschichten schreibt nur der Fußball (solange es um Fußball geht), aber am Sonntag wird er es nicht tun, weil einfach kein persönlicher Gewinn zu erwarten ist.

    Ich werde vermutlich zehn Minuten brauchen, um die Frage zu klären, ob die brasilianischen Fans jetzt gegen ihren Besieger oder gegen ihren Nachbarn sein werden und am Ende wird jemand Weltmeister und dann muss man mal schauen, wie man gegen Stuttgart, Freiburg und Schalke in die Saison startet – und was Paderborn so reißt.

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  • Befindlichkeiten

    Seit über sechshundert Jahren gibt es in meiner Heimatstadt den Kläschenmarkt zur Feier des Herrn Nikolaus, beziehungsweise dafür, um vor einem langen, im Bauernhaus eingesperrt ertragenen Winter noch einmal raus vor die Tür zu kommen, um was anderes ficken zu können als Cousins und Cousinen. Noch nicht ganz seit Bestehen des Marktes wird dieser mit Glühwein, Fischbrötchen und Kentucky Derby gefeiert und findet seinen Ausklang auf dem Marktplatz vor dem Ratskeller weil es drinnen voller Pack ist. Schon immer haben mir persönlich die Buden zu früh zugemacht, aber seit diesem Jahr dürfte es jedem zu früh sein, denn man muss nun aufgrund einer AnwohnerbeschwerdeExterner Link Freitags um elf und Samstags um zwölf schließen.

    Nun lässt das Alter des Marktes vermuten, dass er vor dem Anwohner da war und so stellt sich die Frage, warum jemand da hinzieht, der es nicht aushalten kann, dass vier Tage im Jahr Besoffene Leute vor der Tür rumgrölen. Da fällt mir das Schützenfest ein, aber dagegen vorzugehen ist vermutlich schwieriger, da die Feiernden bewaffnet sind. Dann doch lieber gegen Sportplätze vorgehen – das gab es dort auch schon, übrigens bei einem Sportplatz direkt neben dem Schützenplatz.

    Ich dachte bisher, diese Beschwerdekultur sei ein Phänomen nach Berlin gezogener Schwaben, die dafür sorgen, dass Clubs schließen und um zehn Bürgersteige hochgeklappt werden, damit sie sich zuhause fühlen, aber offenbar ist es ein mittlerweile weit verbreitetes Phänomen des übertriebenen Achtens auf Einzelbefindlichkeiten, aufgrund dessen eine komplette Gesellschaft jeden Tag ein Stück Freude verliert.

    Vor meinem Balkon ist zweimal die Woche Markt und neben ein paar echt guten Sachen findet man dort vor allem Lärm, Müll und die Bestätigung der Evolutionstheorie, aber deshalb würde ich mich niemals darüber beschweren, denn der Markt war schon vor mir da (und man fände die Beschwerde vermutlich rassistisch (obwohl es keine Menschenrassen gibt)).

    Ich werde nach Jahren der Abwesenheit dem diesjährigen Kläschenmarkt übrigens beiwohnen, falls es jemanden interessiert. Ich kann ja früh wieder abreisen.

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