Neues vom Schlafbaum
  • Die Einschläge kommen näher

    Seit wenigen Jahren muss man ja auch bei mir im Verlag auf der Hut sein, da mehr und mehr Berater uns die Luft wegatmen und die Entscheider nur zuhören lassen, anstatt sie vernünftige Entscheidungen treffen zu lassen.

    Ich fühlte mich in der IT-Abteilung eigentlich noch relativ sicher, weiß ich doch, was passiert, wenn jemand den Stecker zieht und auch, dass nicht so viele Leute wissen, was man machen muss, wenn der Stecker wieder steckt. Ja Chef, solche Gedanken macht man sich!

    Darum war ich nach der gestrigen Erklärung unseres Geschäftsführers, dass relativ unvermittelt 23 von ca. 110 Mitarbeitern betriebsbedingt gekündigt wird – vielleicht nicht morgen, aber vielleicht nächsten Monat und auf jeden Fall ganz sicher –, noch so entspannt, dass ich mir fehlende Empathie vorwerfen lassen musste. Ich konnte auch nicht sagen, ob es die richtigen oder falschen getroffen hat. Mir fielen bessere Namen ein, aber wie schon gesagt: Irgendwer muss mit dem Ring in die Lava stürzen.

    Tatsächlich ging mir auch erst heute im Projektmeeting, in dem mir klar wurde, dass fünf von neun Leuten demnächst nicht mehr da sitzen, obwohl die Arbeit schon jetzt nicht bewältigt werden kann, langsam auf, dass ich mir zwar meines ewigen Junggesellentums, nicht aber meines Jobs sicher sein kann, saß doch unter anderen eine Kollegin dabei, mit der so unendlich viel Historienwissen den Verlag verlässt, dass man den Shop schonmal vorsorglich schließen sollte. Aber so ist es wohl: „Vor Beratern und auf hoher See…“.

    So muss ich offenbar doch mal aktiver meine Chancen nutzen und dieses Jahr noch Linuxadministration, Netzwerkfummelei und Dänisch lernen, oder mich darauf verständigen, dass offenbar auch für mein Umfeld mittlerweile eine vernünftige Zukunft gehörig den Reiz verloren hat.

    Man könnte es meinen, aber von mir hat es das nicht.

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  • In die Moderne

    Pustemann

    Pustemann

    Es waren harte Zeiten bis vor einigen Monaten. Nach jedem Markttag mussten zahlreiche Männer mit klassischen Besen den Drittelhektar vor meinem Balkon von zertretenen Tomaten und faulem Obst und abgenutzten Pappkartons befreien. Wie und wohin die gigantischen Müllberge abgeliefert wurden, war mir nie klar und ich habe zum ersten Mal darüber nachgedacht, als die moderne Technik Einzug hielt.

    Das tat sie zuerst in Form eines Müllwagens mit eingebauter Presse. In diese kann einfach alles reingetan und winzig klein gemacht werden. Das dauert seine Zeit und so ist jeder späte Nachmittag erfüllt vom Lärm krachender Europaletten und dem angenehmen Piepton, der die an der Presse arbeitenden Leute auf ihre Gefährlichkeit hinweist.

    Dazu gesellte sich vor wenigen Monaten ein Mensch, der mit einem benzinbetriebenen und enorm lauten Pustedings die Arbeit der Feger erleichtern will. Dass er damit zwar die Pappkisten zusammenpustet, den Staub und Dreck aber auf dem Platz allerdings großräumig über die Nachbarschaft verteilt, wird im Glauben an die Technik ignoriert.

    Ich habe ja nichts gegen Fortschritt, aber ich mag gern den leisen und unauffälligen. Mir stundenlang mit Lärm auf die Nerven gehen, um etwas zu leisten, was früher auch ohne ging, mag ich nicht und ständig meinen Balkon fegen zu müssen mag ich erst recht nicht.

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  • Per Definition

    Nicht abgerockt

    Nicht abgerockt

    Normalerweise bin ich ja wenn es auf etwas ankommt eher immer zu spät, manchmal auch zu früh, niemals aber weiß ich, dass etwas passiert, wenn es tatsächlich passiert. So muss ich Ereignisse hin und wieder einfach definieren und tue das an dieser Stelle:

    Ab heute ist Frühling. Zwar habe ich in letzter Zeit keinen Handschuh verloren, aber man muss offen sein für andere Zeichen des Winterendes. Das deutliche Zeichen ist die Sonne, die ja nun gefühlt monatelang nicht schien. Erst bin ich Sonntag früh zum ersten Mal in diesem Jahr bei Sonnenschein in ein Bett gegangen und heute Vormittag zeigte sie mir daheim, dass ich dieses Jahr dringend meine Fenster putzen muss.

    Heute habe ich aber stattdessen erstmal mein Rad geputzt, denn das machte doch arge Geräusche und ließ seine eigentliche Rahmenfarbe langsam vor Dreck vergessen. Jetzt ist es wieder fröhlich schwarz und bereit für viele weitere Kilometer. Sogar einen neuen Fahrradständer habe ich heute gekauft, den ich allerdings nicht anbauen kann, weil ich den Stumpf des alten vor Dreck nicht abschrauben kann. So muss ich morgen also wieder zu meinem Fahrradmann zurück kriechen und gestehen, dass mein Vorlautes „schaffe ich selber“ heute nicht auf einer soliden Basis stand. Wenn der Fahrradständer dann dran ist, brauche ich nur noch jemanden, der meine Fenster putzt – sind ja nicht so viele.

    Meine Blumenkästen habe ich auch schon vorbereitet und sie warten auf die neue Generation von Astern, Dahlien und selbstverständlich Ringelblumen, denn dieses Jahr habe ich mir wieder Blumensamen mit Namen besorgt anstelle dieser anonymen Mischung, die letztes Jahr eher die Vögel als mich beglückt hat. Vielleicht verzichte ich auf Sonnenblumen. Deren Reste haben mich heute echt ins Schwitzen gebracht.

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