Neues vom Schlafbaum
  • Hier treffen sich Kollegen

    Vor ein paar Tagen habe ich das erste Mal in meinem Leben mit einer Schusswaffe hantiert und auf Menschen geschossen. Das selbstverständlich nicht in einem der unzähligen widerlichen Kriege auf diesem Planeten, sondern aus „Spaß“ beim Lasertag, was in Ostberlin Lasertec heißt, aber per Infrarot funktioniert. Anlass war das diesjährige Teamtreffen meines Arbeitgebers und das Votum für diese Art des gemeinsamen Zeitverbringens war knapp, aber so ist Demokratie (ich habe dafür gestimmt).

    Gegend, Ambiente, Deppentechno im Indoorbereicht, ein Junggesellenabschied, das ShopangebotExterner Link und die mariobartheske Einführung zum Spiel ließen mich denken, dass die Mehrheit von uns nicht das originäre Zielpublikum ist, dennoch nahm ich es hin und hatte tatsächlich wie die allermeisten meinen Spaß.

    Wir waren viele Leute und hatten aufgrund der IT-Herkunft einen erheblichen Anteil an computer- und damit ballerspielerfahrenen Mitstreitern und auch der Ablauf des Spiels mit Gewehren, die einem sagten, wenn es einen Treffer gab und dem Zurücklaufen zu einer Medibox zum Respawnen halfen mir dabei, das Spektakel ausreichend weit zu abstrahieren: Es war für mich tatsächlich ein Computerspiel, nur dass ich dabei wie Sau geschwitzt und die engen Grenzen meines Körpers gespürt habe.

    Es gab bei uns unerfahrenen Menschen keinerlei Strategie, Hierarchie oder Ordnung, aber das trug nur zum Spaß bei, denn ich hätte mir nicht gern von einem Kollegen angehört, wie blöd ich mich gerade angestellt habe. Weder aber hat jemand was gesagt, noch sich jemand total blöd angestellt, sondern jeder seinen Teil beigetragen und das Beste gegeben: ein Plus für den Teamgedanken – so blöd es klingt.

    Anschließend gab es sogar ein paar Gespräche über den Wert der Veranstaltung: Kann man damit Aggressionen loswerden? (Warum) hat man überhaupt Aggressionen? Würde man das mit echten Waffen machen? Helfen Computerspiele der Befähigung zum Amoklauf? Einige dieser Fragen habe ich vielleicht nur mir selbst gestellt und muss sagen, dass ich mich sicherlich ohne Counterstrikeerfahrung dümmer angestellt hätte, aber vor allem an meinem Fortschritt während des Spiels gesehen habe, dass die großartige menschliche Fähigkeit zum schnellen Lernen an Mordtätigkeiten nicht halt macht. Wie das ganze unter Hormonausstoß in Lebensgefahr aussieht, möchte ich mir niemals ausmalen wollen. Ich würde vermutlich wie im Spiel auch in echt zum unteren Drittel gehören, während das mittlere leidet und das obere den neuen Staat macht.

    Aber genug der europäischen Moralisierung – es war ein großer Spaß. Ich weiß, dass ich keinen Freundeskreis habe, mit dem ich sowas machen könnte, also wird es wohl ein einmaliger bleiben und ich habe auch jetzt fünfzig Stunden danach noch etwas davon, denn eine nicht total leichte Waffe halten und kniend von einer Deckung zur anderen spurten sind Tätigkeiten, von denen ich nun weiß, dass mein Körper sie aus Protest ausdrücklich mit Muskelkater galore beantwortet.

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  • Jahrzehnte vergehen

    Classique

    Classique

    Noch vor knapp einer Woche zitierte ich Turbostaat und schon passt das Zitat als Titel zu einem ganzen Artikel. Gestern wurde mir in meiner Abwesenheit von meinem Chef mein Mont Blanc Classique Füllfederhalter überreicht. Ich habe ein Händchen dafür, bei solcherlei Anlässen abwesend zu sein. Diesen bekommt man für zehn Jahre eifrige Anwesenheit am Arbeitsplatz und die Depression über diese Zeitspanne wird nur gemindert durch die Tatsache, dass 2,5 Jahre davon Studentendasein waren und bei der aktuellen Firmenpolitik die Vergabe dieser Schreibgeräte zukünftig sicher stark abnehmen wird.

    Füllfederhalter – das wissen die Älteren unter den Lesern – sind diese Schreibgeräte, von denen der junge Goethe bei der Arbeit mit seinem Federkiel noch geträumt hat, bis dann zum Glück endlich das Internet erfunden wurde. Ich hab das Schreiben mit diesen Geräten aufgegeben, sobald die Schule es zuließ, war ich doch bei den Geha-Pelikan-Kriegen in den 80ern immer auf der falschen Seite, aber vielleicht fange ich ja mal wieder damit an. Immerhin kostet das Ding soviel, wie mein erster Gebrauchtwagen. Verkaufen kann ich ihn nicht, denn es ist mein Name eingraviert und der andere Mensch auf der Welt, der so heißt wie ich, ist gerade erst in der Grundschule.

    Am besten setze ich mich jetzt gleich neben mein Tintenfässchen und schreibe meine Träume auf (siehe Zitat).

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  • Die Einschläge kommen näher

    Seit wenigen Jahren muss man ja auch bei mir im Verlag auf der Hut sein, da mehr und mehr Berater uns die Luft wegatmen und die Entscheider nur zuhören lassen, anstatt sie vernünftige Entscheidungen treffen zu lassen.

    Ich fühlte mich in der IT-Abteilung eigentlich noch relativ sicher, weiß ich doch, was passiert, wenn jemand den Stecker zieht und auch, dass nicht so viele Leute wissen, was man machen muss, wenn der Stecker wieder steckt. Ja Chef, solche Gedanken macht man sich!

    Darum war ich nach der gestrigen Erklärung unseres Geschäftsführers, dass relativ unvermittelt 23 von ca. 110 Mitarbeitern betriebsbedingt gekündigt wird – vielleicht nicht morgen, aber vielleicht nächsten Monat und auf jeden Fall ganz sicher –, noch so entspannt, dass ich mir fehlende Empathie vorwerfen lassen musste. Ich konnte auch nicht sagen, ob es die richtigen oder falschen getroffen hat. Mir fielen bessere Namen ein, aber wie schon gesagt: Irgendwer muss mit dem Ring in die Lava stürzen.

    Tatsächlich ging mir auch erst heute im Projektmeeting, in dem mir klar wurde, dass fünf von neun Leuten demnächst nicht mehr da sitzen, obwohl die Arbeit schon jetzt nicht bewältigt werden kann, langsam auf, dass ich mir zwar meines ewigen Junggesellentums, nicht aber meines Jobs sicher sein kann, saß doch unter anderen eine Kollegin dabei, mit der so unendlich viel Historienwissen den Verlag verlässt, dass man den Shop schonmal vorsorglich schließen sollte. Aber so ist es wohl: „Vor Beratern und auf hoher See…“.

    So muss ich offenbar doch mal aktiver meine Chancen nutzen und dieses Jahr noch Linuxadministration, Netzwerkfummelei und Dänisch lernen, oder mich darauf verständigen, dass offenbar auch für mein Umfeld mittlerweile eine vernünftige Zukunft gehörig den Reiz verloren hat.

    Man könnte es meinen, aber von mir hat es das nicht.

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  • Nichts sichtbar neues

    Mein Arbeitgeber hat nach zwei Jahren Projektarbeit seit Dienstag einen neuen Onlineshop, der moderner, schneller und etwas schöner ist. Visuell geändert hat sich an den Seiten selbst allerdings nicht viel. Für den Kunden ist das in etwas so, als wenn im Stammsupermarkt alle Artikel noch so dastehen wie immer, alle Kassiererinnen aber eine neue Frisur haben und einen neuen Freund mit wesentlich mächtigerem Glied. Dafür habe ich in letzter Zeit einige Montage und in dieser Woche erstmals knapp an die 50 Stunden gearbeitet und ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie ich das bewerten soll.

    Um bei dem schiefen, aber schön schmutzigen Bild zu bleiben gehen die neuen Frisuren und die neuen Freunde, sowie die Steuerung des kompletten Weges dorthin mit all seinen Hürden an die harte Arbeit so mancher Kollegen, für den Fortschritt bei der neuen Freunde Gemächt bin aber durchaus zum großen Teil ich verantwortlich. Demnach ist es vielleicht auch nicht ganz absurd, dass Dienstag mehr als 15 Leute in meinem Büro standen und mir nach dem Startschuss mit etwas kläglich bereitgestelltem historischen KnopfdruckExterner Link applaudiert haben. Damit kann ich ja nun garnicht um.

    Jetzt habe ich die nächsten zwei Wochen Bereitschaftsdienst für Notfälle, den ich tatsächlich etwas albern finde, weil nur etwas passieren kann, wenn irgendwas meiner Arbeit abgrundtief schlecht war und das passiert – soviele dämliche Fehler ich auch noch immer mache – verdammt selten. Tatsächlich hatte ich immerhin nach dem Start zwei Tage gute Laune, aber so zu ein Bisschen Stolz reicht es irgendwie nicht. Stattdessen ist nach dem großen Projekt gerade Ruhe eingekehrt und macht damit Platz für Gedanken, die zum Glück die letzten Wochen verdrängt waren. Ich sollte mich noch etwas an dem, was ich erstmals in dem Job von Beginn an mit aufgebaut habe, erfreuen, bevor ich beim nächsten Projekt wieder vor dem Nichts stehe und zwei Jahre warten muss, bis sich daraus etwas kurzzeitige Begeisterung ergibt. Ich hoffe darauf: Es ist immernoch einfacher, an einem solchen Projekt zu arbeiten als an sich selbst.

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