Neues vom Schlafbaum
  • Marktfolgen

    Nach zehn Jahren hat es mich erstmals erwischt und mir wurde gestern laut Brief „per Boten“, also vom Sohn des Hausbesitzers und Wohnungsgesellschaftschefs eine Mieterhöhung zugestellt. Dabei gehen sie auch gleich zum rechtlich Äußersten, aber wer will es ihnen nach der langen Zeit verdenken?

    Allein die Art der Berechnung der ortsüblichen Miete mutet etwas seltsam an. Die kann man selbst im Internet nachspielenExterner Link und erfährt, dass „kein Balkon“ ein wohnwertminderndes Merkmal wäre, genau wie ein nicht gefliestes Bad mit ohne Fenster. Einiges in dieser Gesamtliste sehe ich ein, anderes nicht – zum Guten wie zum Schlechten. Dass allerdings ein Kabelanschluss, den zu zahlen ich solidargemeinschaftlich und äußerst widerwillig verpflichtet bin, ein wohnwertsteigerndes Merkmal ist, zeigt, was man von uns will: Wir sollen Fernsehen, die Schnauze halten und uns der Wohnwertsteigerung glücklich schätzen. Dann will ich den Anschluss also mal nutzen und wie gewünscht Fußball gucken. Ist ja auch besser als die Stadt anzuzünden. Prost!

    Ein weiteres wohnwertsteigerndes Merkmal sei das „aufwändig gestaltete Wohnumfeld“, welches ich heute vergeblich in unserem Käfig, der sich Hof nennt zwischen fehlenden Enten, mit Fahrradleichen überfüllten Fahrradständern und bedauernswert dem Tode trotzendem Gras gesucht habe. Oder haben gar meine Blumen das Umfeld aufgewertet? Jetzt tun sie es jedenfalls nicht mehr.

    Dieses Mal lasse ich die Vermieter noch gewähren, aber bis zur nächsten Erhöhung muss das Umfeld abgewertet und der Rundfunkzwang abgeschafft sein. Den ersten Schritt zu ersterem habe ich nach der Broken-Windows-TheorieExterner Link ja bereits getan.

    Montag rufe ich mal an: Für soviel mehr Geld können die ruhig mal mein Bad neumachen. Ich habe nach zehn Jahren plötzlich Bock auf Kaltwasser.

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  • Warum ich nicht vorm Reichstag sitze

    In gewisser Weise wiederhole ich mich, aber hin und wieder muss sowas halt mal raus:

    Es tut mir leid, aber ich kann nicht mitmachen. Ich bin von Herzen gegen das Geldsystem, aber zu wenig Freund von mehr Demokratie. Ich habe viel zu viele Fragen und viel zu wenig Antworten. Ich habe viel zu viel Ärger und viel zu wenig WutExterner Link.

    Vor allem aber lebe ich nicht die Bescheidenheit, die ich vom Rest der Welt fordern müsste, um sie gerechter werden zu lassen: Ich trage Markenschuhe, esse Fleisch, nutze Apple-Produkte. Ich habe einen unbefristeten, nicht zu schlecht bezahlten Job, gar Arbeitsplatz, ich habe ein Girokonto und ich habe in diesem Jahr über 1000 Euro durch Aktiengewinne und Zinsen „gemacht“, also ärmeren Menschen aus ihren blutigen Händen gerissen. Ich bin sogar schon Easyjet geflogen.

    Ich esse zwar Bio, kaufe regelmäßig Obdachlosenzeitungen und dagegen Klamotten nur alle paar Jahre, dann aber von H&M. Das ergibt kein rundes Gesamtbild. Mit so jemandem wir mir möchte ich nicht gemeinsam die Welt verbessern. So ist es nicht aufrichtig, wenn ich anderen ihre Gier vorwerfe.

    Außerdem lasse ich mich nicht von Gruppierungen instrumentalisieren, deren Ziele ich nicht komplett unterstütze und zu guter Letzt kann ich nicht demonstrieren, wenn ich keine Lösung habe und, ja: ich habe keine.

    Ich bin mir sicher, in den nächsten maximal zehn Jahren wird es uns allen hier viel, viel schlechter gehen und wir werden uns dabei viel, viel besser fühlen als jetzt und ich bin bereit, dafür zu sterben, aber leider nicht, dafür zu kämpfen. Das überlasse ich euch. Hau-ruck!

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  • Auf ein nächstes

    Bestes Licht

    Bestes Licht

    Wenn man nachts seinen Atem sieht, wenn es zum Feierabend dunkel ist, wenn die Frauen wider jeder Ästhetik ihre Jeans in die Stiefel stecken und wenn Tourismusbehörden wieder bunte Lampen in die Gegend stellen, dann ist es Zeit, für einmal im Jahr nachts auf der Straße seinen Ständer auszupacken.

    Also sein Stativ für die Kamera. Ein paar erste Fotos habe ich gestern schon zum sehr lahmen Start des diesjährigen Festival Of Lights gemacht. Die Krise scheint bei den Künstlern angekommen zu sein, oder der Apple-Fluch, sehr gutes jedes Jahr besser machen zu müssen. Vielleicht bin ich aber auch nur dieses Jahr schwerer als sonst zu begeistern.

    Welchen Grund es auch immer hat: Ich war gestern Abend derart gelangweilt, dass ich den Bildern dieses Jahr keine neue Galerie widme. Vielleicht ändert sich das am Wochenende ja noch.

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  • Musik: Salvatore Lali

    Jetzt bringen wir die Bude mal richtig zum Stinken, denn die in diesem Artikel besprochene Platte ist von mir (jeder Ton und jeder Knopfdruck, jedes Wort und jeder Fehler). Die älteren von uns kennen noch den Begriff EP, der eigentlich besser passt, aber platt waren ja LP wie EP, also bleibe ich bei „Platte“.

    Fünf Lieder habe ich in diesem Jahr in eine Form gebracht, die verletzungsfreies Hören gestattet und auch wenn die Stücke nichts miteinander zu tun haben, ergeben sie ein feines Gesamtbild. Es beginnt fröhlich und abstrakt, endet fröhlich und konkret und mimt dazwischen den heutigen, wirren Kurs der Apple-Aktien. Musikalisch poppig und eher frei von bestimmbaren Einflüssen (oder?), textlich ein Stück mehr Hilfe fordernd als bietend und eher verstörend als lehrreich, aber damit passend in die berliner Mittdreißigersingleemotionenneidkultur. Technisch auf 90% des Niveaus, das man mit Garage Band, semiprofessionellem Tontechnikerwissen und mittelmäßigem Handwerk erreichen kann.

    Die eigene Platte zu besprechen ist wie erwartet noch ungleich schwerer als das mit fremden zu machen, aber egal: mir gefällt sie und vielleicht dem Publikum auch und sie ist kostenlosExterner Link.

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