Warum ich nicht vorm Reichstag sitze
In gewisser Weise wiederhole ich mich, aber hin und wieder muss sowas halt mal raus:
Es tut mir leid, aber ich kann nicht mitmachen. Ich bin von Herzen gegen das Geldsystem, aber zu wenig Freund von mehr Demokratie. Ich habe viel zu viele Fragen und viel zu wenig Antworten. Ich habe viel zu viel Ärger und viel zu wenig Wut.
Vor allem aber lebe ich nicht die Bescheidenheit, die ich vom Rest der Welt fordern müsste, um sie gerechter werden zu lassen: Ich trage Markenschuhe, esse Fleisch, nutze Apple-Produkte. Ich habe einen unbefristeten, nicht zu schlecht bezahlten Job, gar Arbeitsplatz, ich habe ein Girokonto und ich habe in diesem Jahr über 1000 Euro durch Aktiengewinne und Zinsen „gemacht“, also ärmeren Menschen aus ihren blutigen Händen gerissen. Ich bin sogar schon Easyjet geflogen.
Ich esse zwar Bio, kaufe regelmäßig Obdachlosenzeitungen und dagegen Klamotten nur alle paar Jahre, dann aber von H&M. Das ergibt kein rundes Gesamtbild. Mit so jemandem wir mir möchte ich nicht gemeinsam die Welt verbessern. So ist es nicht aufrichtig, wenn ich anderen ihre Gier vorwerfe.
Außerdem lasse ich mich nicht von Gruppierungen instrumentalisieren, deren Ziele ich nicht komplett unterstütze und zu guter Letzt kann ich nicht demonstrieren, wenn ich keine Lösung habe und, ja: ich habe keine.
Ich bin mir sicher, in den nächsten maximal zehn Jahren wird es uns allen hier viel, viel schlechter gehen und wir werden uns dabei viel, viel besser fühlen als jetzt und ich bin bereit, dafür zu sterben, aber leider nicht, dafür zu kämpfen. Das überlasse ich euch. Hau-ruck!