Neues vom Schlafbaum
  • Verstanden oder infiziert

    Vor ein paar Tagen hoffte ich noch, dass ich Pokémon schnell beiseite legen würde, aber der Mensch hoffte ja auch schonmal darauf, dass er die Kraft seines Gegners aufnimmt, indem er ihn isst, dass Missernten aufhören, wenn man genug Frauen verbrennt, dass aus Geld mehr Geld werden kann, dass Polen genug sei oder dass 3000 türkische Richter tatsächlich gefährliche Menschen sind, aber wo war ich?

    Ich war draußen die letzten Tage. Das bin ich zwar immer, aber insbesondere Freitagabend war ich es, um Pokémons zu fangen. Ich habe und wurde nicht gefährdet und ich hatte unerwartet viel Spaß. Aus meiner Sicht macht das Spiel sehr viel richtig, über das sich von passionierten Spielern beklagt wird: Ich finde es nicht gut, obwohl es so einfach ist, sondern weil (wobei ich mir dennoch ein paar Weisheiten dazu in diesem Internet erlesen musste) und empfinde es als Segen, dass es im Spiel keine Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Spielern gibt. Das nämlich bedeutet, dass ich abseits des Spiels – also in dieser verrückten, richtigen Welt – mit Leuten in Kontakt komme. Und Leute sind überall: Zumindest im belebten Teil Berlins sehe ich an fast jedem im Spiel wichtigen Punkt Leute, die wegen dieses Punktes dort sind und sie sehen mich auch und insbesondere da das Spiel wenig kompetitiv ist, hat man Gemeinsamkeiten und über die spricht man gerne. Dass ich in den wenigen Tagen ähnlich viel freundlichen und interessierten Kontakt zum Menschen hatte wie in allen Clubabenden meiner Berlinkarriere wirft zunächst kein gutes Bild auf mich, danach auf den andernächsteneckeistesbestimmtbesseralshier-Hedonistenberliner an sich, wird dadurch aber weder unwahrer noch besser.

    Ich bleibe bei meiner Prognose oder Hoffnung, dass dieser Hype nicht lange anhalten wird, aber warum eigentlich nicht? Die Zeit dafür habe ich und Kontakt zu Menschen ist ja bis auf wenige Ausnahmen eine tolle Sache und wer will mir und all diesen Menschen verdenken, sich ins Jagen von Pokémons zu flüchten, während man in Teilen der echten Welt mit Hurra zurück ins Mittelalter stürmt (sorry Mittelalter, dass ich dich schon wieder belästige – ich habe keinen besseren Vergleich).

     

    Diesen Artikel konnte ich trotz des beendeten Dauerregens schreiben, weil ich mich nicht am Spiel anmelden kann.

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  • Pokélkon

    Laut Medien hat den zivilisierten Teil der Welt eine neue Seuche gepackt, nämlich das Spielen von Pokémon Go auf dem schlauen Funktelefon. Da ich Seuchen grundsätzlich nicht abgeneigt bin – so kann ich mir beispielsweise das Leben als Zombie ganz angenehm vorstellen, wir kennen aus Filmen und dem Reichelt an der Mecklenburgischen ja nur die Außensicht auf diese Wesen -, habe ich mir das Spiel auch gleich angesehen. Ich habe mich frisch angemeldet und nicht mit meinem Google-Account, denn da weiß ich mein Passwort nicht mehr und kann es mir nicht schicken lassen, weil ich das Passwort von dem dort angegebenen Mailkonto nicht mehr weiß – man wird immer älter.

    Bisher ist das Spiel recht realistisch, denn dass direkt vor meinem Balkon ein Taubsi wohnt, habe ich schon viele frühe Morgen hören müssen.

    Die Nachbarschaft ist voll von Punkten, an denen man was findet und diese Fülle von Punkten, die sich sogar regenerieren würde bei mir in kurzer Zeit zu Wahnsinn führen, darum werde ich es mir höchstens noch ein paar Tage anschauen. Auch ist es der beste Weg, die Batterie und das Datenkontingent zu verbrauchen, aber irgendwie hat es auch was.

    Auf meinen 500 Metern durch die Nachbarschaft fielen mir drei Leute auf, die noch dazu mit dem Telefon an einem der Punkte stehenblieben. Vielleicht Spieler, vielleicht fielen mir ganz klassische Telefonzombies auch nur auf, weil ich mich selbst dabei so bescheuert gefühlt habe. Das und die Tatsache, dass ich nicht verstehe, was man jetzt mit den Viechern macht, dürften weitere Gründe sein, das Spiel schnell wieder beiseite zu legen.

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  • Zeichen

    Es gab Zeiten, da habe ich hier deutlich mehr geschrieben. Es gab aber auch Zeiten, da habe ich mich über deutlich mehr geärgert und ich kann über Ärger aus Erfahrung viel schöner schreiben, als über Freude.

    Die Herrscht derzeit: Freude über meinen baldigen Urlaub, Freude über Menschen und es ist erstaunlich, was Freude aus einem machen kann.

    Es ist mir tatsächlich derzeit vollkommen egal, dass ich in einem komplett irrsinnigen Land lebe, in dem Dank Fußball der Irrsinn auch erstmal wieder ein paar Wochen ungeniert ausgelebt werden darf.

    Es ist mir egal, was Verfassungsschützer straffrei von sich gebenExterner Link können, es ist mir egal, dass mein Wohnort einen senilen RassentheoretikerExterner Link zum EhrenbürgerExterner Link macht, es ist mir egal, dass mein Heimatland einen gefährlichen IrrenExterner Link hofiert, anstatt ihn wie Menschen aus einem Land mit Eiern in die Schranken zu weisenExterner Link (weil die Menschen dort zugegeben genug mit eigenen, gefährlichen Irren zu tun hatExterner Link).

    Mir ist auch egal, dass die Politik in ganz Europa täglich neue Fragen stellt, auf die andere einfache Antworten haben und wir mit Hurra auf dem Weg in ein neues Mittelalter sind. Da können ja dann meine Kinder leben und mich dafür hassen, dass es mir egal war. Dahin ist es freilich noch ein weiter Weg, denn Kinder bekommt man ja nicht über Nacht.

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  • Mietnest

    Besucher

    Besucher

    Ich berichtete ja von den Leuten, von denen ich dachte, es seien meine neuen Nachbarn, aber es hat sich schnell herausgestellt, dass ihnen die Wohnung offenbar nicht zusagte, denn sie tauchten nach einem Besuch länger nicht mehr auf. Zwischendurch habe ich zwei, drei Male mitbekommen, dass sich ein Single oder ein Pärchen die Wohnung angeschaut hat, es gab sogar mal einen Kampf zwischen einer Taube und einer Krähe, aber erst dieses Wochenende war sie wieder für längere Zeit besetzt. Ob es das gleiche Pärchen war, wie vor ein paar Wochen kann ich nicht sagen – die sehen ja alle gleich aus mit ihren Vollbärten, engen Hosen, Dutts Federn und Krallen.

    Vielleicht ist der Preis der Wohnung einfach zu hoch und alle, die ich sehe sind nur auf Besichtigung, oder es ist eine mittlerweile „verbotene“, vermietete Ferienwohnung, vielleicht für gestresste Pärchen, die endlich mal dem dauernd hungrigen Nachwuchs entkommen wollen. Falls man sie wirklich mieten kann, dann mit Sicherheit über AirBnB.

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