Neues vom Schlafbaum
  • Warme Gedanken

    Aus Sicht der grünen Energiespargurus dürfte man als Architekt an ein Haus wie das, in dem ich wohne, heutzutage garnicht mehr denken: Fenster und Türen sind aus einer Zeit, in der man erste Gehversuche im Bereich der Doppelverglasung machte und das Holz der Rahmen ist das einzige in diesem Haus, das rund um die Uhr arbeitet. Deshalb habe ich auch in diesem Jahr wieder einige Meter Antihechsuppenband um die Balkontür geklebt, damit meine imaginäre KatzeExterner Link gemütlich davor sitzen kann. Das und mein gesunder Energiegeiz sorgen dafür, dass ich auch Mitte November nur selten die Heizung an habe (dafür meist viele warme Sachen).

    Offenbar zeigt dieses Verhalten aber Wirkung, denn erstmals hatte ich heute beim Ablesen der komischen Heizverbrauchsmessröhrchen, die ebenso archaisch wirken wie die Wärmedämmung, im Wohnzimmer den gleichen Wert wie in der Küche, was nicht nur deshalb bemerkenswert ist, weil die Heizung in der Küche niemals an ist, weil kein Thermostat dran ist, sondern das Ventil vom davor stehenden Kühlschrank reingedrückt wird – es kommt bei mir auf jeden Zentimeter an.

    Ich prophezeie daher auch für dieses Jahr keine nennenswerte Heizkostenerhöhung jenseits systemisch akzeptiertem Spekulationsaufschlag. Die Farbe der Messröhrchen lässt übrigens auf weitere Senkungen im nächsten Jahr hoffen: Da die Kombination jetzt ein Jahr lang gelb-blau ist, wäre es doch gelacht, wenn ich den Ablesewert des nächsten Jahren nicht von 6 auf – sagen wir mal – 1,8 senken könnte.

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  • Marktfolgen

    Nach zehn Jahren hat es mich erstmals erwischt und mir wurde gestern laut Brief „per Boten“, also vom Sohn des Hausbesitzers und Wohnungsgesellschaftschefs eine Mieterhöhung zugestellt. Dabei gehen sie auch gleich zum rechtlich Äußersten, aber wer will es ihnen nach der langen Zeit verdenken?

    Allein die Art der Berechnung der ortsüblichen Miete mutet etwas seltsam an. Die kann man selbst im Internet nachspielenExterner Link und erfährt, dass „kein Balkon“ ein wohnwertminderndes Merkmal wäre, genau wie ein nicht gefliestes Bad mit ohne Fenster. Einiges in dieser Gesamtliste sehe ich ein, anderes nicht – zum Guten wie zum Schlechten. Dass allerdings ein Kabelanschluss, den zu zahlen ich solidargemeinschaftlich und äußerst widerwillig verpflichtet bin, ein wohnwertsteigerndes Merkmal ist, zeigt, was man von uns will: Wir sollen Fernsehen, die Schnauze halten und uns der Wohnwertsteigerung glücklich schätzen. Dann will ich den Anschluss also mal nutzen und wie gewünscht Fußball gucken. Ist ja auch besser als die Stadt anzuzünden. Prost!

    Ein weiteres wohnwertsteigerndes Merkmal sei das „aufwändig gestaltete Wohnumfeld“, welches ich heute vergeblich in unserem Käfig, der sich Hof nennt zwischen fehlenden Enten, mit Fahrradleichen überfüllten Fahrradständern und bedauernswert dem Tode trotzendem Gras gesucht habe. Oder haben gar meine Blumen das Umfeld aufgewertet? Jetzt tun sie es jedenfalls nicht mehr.

    Dieses Mal lasse ich die Vermieter noch gewähren, aber bis zur nächsten Erhöhung muss das Umfeld abgewertet und der Rundfunkzwang abgeschafft sein. Den ersten Schritt zu ersterem habe ich nach der Broken-Windows-TheorieExterner Link ja bereits getan.

    Montag rufe ich mal an: Für soviel mehr Geld können die ruhig mal mein Bad neumachen. Ich habe nach zehn Jahren plötzlich Bock auf Kaltwasser.

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  • Goldbeeren

    Letztes Jahr im Sommer hatte ich mir mal wieder die Cola abgewöhnt, weil die ja ungesund ist. Meine damaligen Probleme lösten sich dadurch nicht, aber ich kam so immerhin nach zwischenzeitlichem Stop bei Apfelschorle zu Johannisbeerschorle. Die sieht gut aus, ist frisch, nicht so sauer und vor allem (noch) nicht abgenutzt durch hippe Leute.

    Nun überlege ich, ob ich die weiterhin trinke, denn vor einigen Tagen ist der Literpreis von 89 Cent auf 1,19 Euro gestiegen. Ich höre schon den Aufschrei des ADJC (Allgemeiner Deutscher Johanisbeerschorlentrinker Club). Nee, doch nicht.

    Aber es ist ein enormer Preisanstieg und ich frage mich, woher der kommt. Saisonbedingt? Trubel auf dem Rotsaftterminmarkt wie einst beim gefrorenen OrangensaftExterner Link? Geht dieser Preisanstieg immer so weiter? Sind Johannisbeeren gar statt Gold die Lösung, sein Kapital über Währungsreform und Bürgerkrieg hinwegzuretten?

    Fragen über Fragen. Für letzteres empfehle ich noch immer Grundbesitz und Schusswaffen. Trinken werde ich jetzt erstmal wieder Cola: die ist viel billiger – ist ja auch kein natürlicher Stoff drin.

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  • Der Geldautomat des Präkariats

    In Kürze werde ich in Dänemark wieder vor Pfandautomaten stehen, an denen man einen Knopf drücken kann, woraufhin der Pfandbetrag gespendet wird, an den WWF oder so. Ich habe dort nie gedrückt, weil ich es ehrlicher fand, geizig zu sein, als mit einem Knopfdruck irgendeine undurchschaubare Organisationsstruktur zu füttern, nur damit ich ein besseres Gewissen bekomme.

    Deutschland zog vor einer Weile mit der hier gebotenen Bürokratie nach: man schmeißt seinen Pfandbon in einen Kasten und jemand gibt die Spenden dann gesammelt ab – nichts geht hier ohne Formular.

    Auch an diesem Spiel beteilige ich mich nicht. Es ist mir zu billig, mich auf diese Weise „gut“ zu fühlen. Natürlich lasse ich im Park meine leeren Flaschen an exponierter Stelle stehen, wenn sie mir nicht vorher aus der Hand gerissen werden, aber ganz ehrlich: das tue ich, weil ich die nicht mit nach hause nehmen will. Dass sich jemand anderes damit durch harte Arbeit was zu essen kaufen kann, nehme ich gerne hin – meinem Gewissen ist das egal. Ich habe nichts gegen Pfand und Pfandsammler in Person, sondern gegen gegen die Tatsache, dass dieses Land sie mehr und mehr entstehen lässt. Ich bin darüber ja schon früher ins Grübeln geraten… Wenn ich mal was gutes tun will, bekommt der Stützeverkäufer zwei Euro ohne Stützenkauf. Da zu stehen ist Arbeit genug.

     

    Jetzt schielt diese Form von Gewissenserleichterung mit Hilfe des Internets in Form von www.pfandgeben.de von ihrem Platz im Reich der Traurigkeit hinüber ins Reich der Perversion. Hier kann man kundtun, dass man mal wieder in der WG im 5. Stock nach einer langen Mittwochnacht vor Flaschen das Parkett nicht mehr sieht. Alsbald wird jemand aus dem Kreis der Bedürftigen an der Türe klingeln und die Flaschen mitnehmen. Eine win-win-Situation: Die Bude ist aufgeräumt und die eigene Generösität zur Schau gestellt. Das geht bisher nur in FHain, XKölln und PBerg, aber das deckt ja die wichtigsten Gebiete ab. Vielleicht ist es sogar so gedacht, dass man nicht einmal jemanden an die Tür lassen muss, sondern einfach irgendwo einen Flaschenberg errichtet und per Website anzeigt. Damit wäre dann die klinisch sauberste Form des Gebens gefunden. Was moderne Technik alles möglich macht.

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