Zahnzeit
Ein Brief machte mich die Tage darauf aufmerksam, dass ich dieses Jahr noch nicht zur Kontrolle beim Zahnarzt war. Das ist nicht ungewöhnlich, denn dahin gehe ich in der Regel im Winter. Wie jedes Jahr freue ich mich dann, dass meine Zahnärztin (meist) nichts findet und besonders auf das anschließende Ritual der Anpreisung einer professionellen Zahnreinigung und meiner darauf folgenden Ablehnung.
Ich erkenne es an, dass die gute Dame immer wieder so tapfer nachfragt, aber ich werde ebenso tapfer weiterhin ablehnen, denn ich halte eine solche Reinigung für das falsche Signal an alle anderen, ebenso wenig hochpreisig gepflegten Körperteile. Nun mag man – gerade aus Sicht einer Zahnärztin – auf die besondere Position der Zähne hinweisen und ja: it’s a dirty job but someone’s gotta do it. Aber dass die Zähne nicht nachwachsen ist ja in erster Linie ihr eigenes Problem. Eine damit begründete Sonderstellung ist beispielsweise Fußnägeln nur schwer vermittelbar. Außerdem sind Verluste leicht ersetzbar, wovon mein rechter Schneidezahn Geschichten erzählen kann. Ich lobe mir eine kommunistische Sicht auf das Gesamtbefinden meiner Körperteile: es soll allen gefälligst gleich schlecht gehen.
Außerdem bin ich etwas gekränkt durch die mit der Anpreisung einhergehenden Abwertung meiner eigenen, unprofessionellen Zahnreinigung, der ich hin und wieder nachgehe. Ich finde, dass mich die Studierten da garnicht so von oben herab behandeln müssen – ich mache das im Rahmen meiner Möglichkeiten schon ganz ordentlich.
Ich werde stattdessen meinerseits im Rahmen meiner persönlichen, professionellen Möglichkeiten meine Zahnärztin darauf aufmerksam machen, dass Erinnerungsbriefe, die mit Briefmarken frankiert und mit Nadeldruckern gedruckt sind, irgendwie total zwanzigstes Jahrhundert sind.
Hab ich erwähnt, das meine Zahnärztin ihre Praxis in dem Haus hat, in dem in den Siebzigern David Bowie und Iggy Pop gehaust haben? Ich hab mich nie getraut zu fragen, ob sie dabei war…