Neues vom Schlafbaum
  • Dagegen

    Dagegen!

    Dagegen!

    Es gibt eine neue Bürgerinitiative in meiner Nachbarschaft – wie immer einen bemitleidenswert kleinen Haufen von Dagegenseiern.

    Dieses Mal ist man gegen die geplante Bebauung zweier Eckgrundstücke über der U-Bahn am Kleistpark. Es handelt sich in beiden Fällen um teils zugewucherte Bombenlücken und von einer Bebauung wurde bisher wohl abgesehen, weil man Angst um die Statik des U-Bahnhofs hatte. Jetzt soll es doch passieren, weil Berlins Attraktivität es erfordert, dass jeder freie Platz zugebaut wird und das meine ich nicht ironisch.

    Damit ist der Tradition Genüge getan, dass auf jede bauliche Veränderung in der Stadt eine Gruppe stockkonservativer Träumer ihre egoistischen Partikularinteressen (Liebe zu Bäumen und Sonne, oder Angst vor Veränderung) pflegt und als Erhalt von Lebensqualität im Kiez verkauft. Diese Lebensqualität haben sie Samstag schon erfolgreich beeinflusst, indem sie mit ihrer Minidemo den Verkehr auf der Hauptstraße lange genug aufhielten, um ihn sich in sämtliche Nebenstraßen im Kiez ergießen zu lassen. Der Verkehrsstillstand passte gut zu den Gesichtern der Protestler.

    Mir erschließt sich nicht, was an den beiden Flächen erhaltenswert ist: Auf der einen Seite ist ein Autohandel, also ein ähnlich attraktives Gewerbe wie Wettbüros oder Systemgastronomen, auf der anderen Seite der Biergarten eines Griechen und ein S-Bahnwagen, in dem preisintensive Cocktails angeboten werden. Laut Protestler sind das interkulturelle Einrichtungen und soziale Treffpunkte, dabei sind es eher seit jeher privat und kommerziell genutzte Flächen und ein Schimpfen gegen böse kapitalistische Investoren verbietet sich damit. Einzig die Notdurftverrichtung der Alkoholiker im Gestrüpp verlief unentgeldlich, ist in meinen Augen aber nicht schützenswert.

    Dass sich durch die Demo weniger Duzend mittelalter Frauen (trotz einiger zerknitterter Langhaariger war die Gruppe testikelfrei), die den Rauch-Haus-Song missbrauchten, dass man Rio aus 500 Metern Entfernung rotieren hörte, die Entwicklung in der Stadt aufhalten ließe, glauben höchstens sie selbst: Bei Mietforderungen wird schon jetzt überall das großzügige gesetzliche Maximum ausgenutzt und Häuser mit günstigen Mieten (wie meines) dürfen heute garnicht mehr gebaut werden. Teurer wird Wohnraum in Berlin nur noch durch steigende Nachfrage bei stagnierendem Angebot.

    Zugegeben brauche ich das geplante Hotel/Studentenwohnheim an der Ecke nicht und die Finanzierungspläne beziehungsweise die beteiligten Leute und Firmen wirken tatsächlich etwas seltsam, aber dagegen einfach nur „nein“ zu schreien ist billig. Sinnvoller und irgendwie auch demokratischer wäre es, dem Bezirk unter die Arme zu greifen, damit er nicht übers Ohr gehauen wird und damit das passiert, was wirklich notwendig ist:

    Jede Lücke mit Wohnungen zum wirklich Bewohnen (nicht zur Spekulation) für all die neuen Berliner zu bauen, die sich diese leisten können. Die Wohnungen der heute gesehenen Protestierer werden leider erst in frühestens zwanzig Jahren frei (und meine noch viel, viel später).

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