Neues vom Schlafbaum
  • Das Paradies zwischen zwei Höllen

    Seit einigen Monaten muss ich für Abendbeschäftigungen vermehrt in dieses Neukölln und bereits die Ankündigung verschafft mir meist eine Gänsehaut.

    Diese Gänsehaut lasse ich mir nicht zum Vorwurf machen, denn nach Neukölln musste ich vor acht bis zwölf Jahren häufig aus familiären Gründen und es war immer deutlich unangenehm. Gerade die Zeiten, in denen ich mit dem Bus 104(!) zu meiner Ex in den Schillerkiez musste, in dem man von Leuten hinter einem mit „was guckst du so?“ begrüßt wurde, habe ich nicht in bester Erinnerung.

    Aber auch hier ändern sich die Zeiten: Dieses Wochenende durfte ich dort eine kleine Kneipentour machen und es war schön. Das Halbe kostet noch knapp unter drei Euro, in Kneipen läuft Thees Uhlmann (wobei ich von Bosses 3 Millionen begrüßt wurde, was ich persönlich nehme (so man Bosse Ende Dreißig persönlich nehmen darf)), die Amtssprache ist sich bereits zwischen Deutsch, Englisch und Spanisch nicht mehr ganz sicher, die Männer tragen vermehrt ungepflegten Vollbart und die Frauen unpraktisch kurze Röcke. Heißt: Der Vorabend der Gentrifizierung zeigt sein kurzes, angenehmes Antlitz – diese Leere, die der bisherige Pöbel hinterlassen hat, der aus entmieteten Häusern fliehen musste, bevor sie von zahlungskräftigen Wohnungskäufern aus der Kreativbranche oder dem Rollkofferpöbel wieder gefüllt wird. Diese Zeit gilt es zu genießen.

    Ich freue mich auf sechs bis zwölf Monate angenehmes Neukölln und werde weiterhin jedem erzählen, wie irrsinnig uncool und spießig Schöneberg ist, damit es das auch die nächsten dreißig Jahre unverändert so bleibt.

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    1. Oleg

      Ich dachte die Kreativbranche und der Rollkofferpöbel wär schon wieder weg aus Neukölln, auf dem Weg nach Moabit und in den Wedding. Das Problem an der Sache: Sowohl vom Prenzlauer Berg nach Neukölln als auch weg von dort, führt der Weg immer mitten durch Kreuzberg. Vielleicht sollte man doch wieder zurück in den Prenzlauer Berg, da müsste es jetzt schön ruhig sein. Andererseits: Solange es hier noch Bier für durchschnittlich 2,30 gibt und sich eine Kneipentour in der Orannienstraße noch nach Herr Lehmann anfühlt, ist das alles okay.

      • Dann erzähl das bitte niemanden, damit es auch ok bleibt.
        In welcher Phase Neukölln gerade ist und welcher Teil davon, weiß ich natürlich garnicht. Für mich fühlt es sich so an, als sei es auf viele Leute gerade sehr anziehend aber ob die dem Trend voraus- oder nachlaufen, kann ich nicht sagen.
        Schillerkiez bei Nacht 2002 und 2012 sind auf jeden Fall Welten und die aktuelle ist besser.



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