Neues vom Schlafbaum
  • Lichterfest

    Grimm

    Grimm

    Das Festival of Lights hat aus meiner Sicht seine besten Tage bereits hinter sich, worüber ich sicher schon schrieb, aber ich bin gerade zu faul, nachzuschauen um Redundanzen zu vermeiden.

    Für mein schwindendes Interesse hat in den letzten Jahren einerseits die Art der Installationen gesorgt: Diese wurden immer aufwändiger, bewegter, es standen nicht mehr angeleuchtete Gebäude im Vordergrund, sondern man musste irgendwas dazu aufbauen, es gab Filme, Ton, alles Krams, den man nicht gut fotografieren kann und der nicht spannend genug war, um an ihm zu verweilen. Der zweite Grund ist die immer steigende Besucherzahl. Von Westen durchs B-Tor kommend läuft man in eine massive, meterdicke Menschenwand, am Dom bekommt man keinen Platz zum ruhigen Schauen, den Rest habe ich mir erspart. Wie bereits die Fusion und demnächst Deutschland leidet auch das Festival of Lights unter seiner extremen Beliebtheit.

    Eine Ausnahme sei dem Leser hier dargebracht, denn das neue Hotel in meinem Park macht es aus meiner Sicht richtig und damit irgendwie wie früher: Ein einziges, schön gestaltetes und zum Haus thematisch passendes Motiv setzt dort das Haus in Szene und außerdem ist dort niemand, weil der Kanal noch immer die Touristenströme abhält.

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  • Professionell unbeeinruckt

    Ich bin ein großer Fan meiner Zahnärztin – nicht nur, weil sie ihre Praxis next door zu David Bowies Exwohnung hat, nicht weil sie mir jedes Jahr einen Brief aus dem Nadeldrucker mit Briefmarke schickt, nicht weil sie damals den indirekten Einfluss von Alkoholkonsum auf mein Lächeln hervorragend reparierte, sondern weil sie insgesamt gute Arbeit leistet und auch viel für den Zahnarztnachwuchs im Kiez tut.

    Nicht so sehr mochte ich sie dafür, dass sie mir seit einer Dekade eine professionelle Zahnreinigung andrehen wollte, obwohl sie mit meiner amateurhaften nie richtig unzufrieden sein konnte. Viele Jahre konnte ich daher standhalten, im Alter weich geworden sagte ich aber letztes Jahr zu – Man soll über nichts meckern, das man nicht erlebt hat. Schon anderthalb Jahre später war ich dann diese Woche da. Total gut für den ganzen Körper soll das sein, wurde mir gesagt, aber irgendwie habe ich mir etwas mehr darunter vorgestellt, als eine halbe Stunde voller komischem Gekratze an Zahnzwischenräumen und ob sich meine Zähne nun glatter anfühlen kann ich schlicht nicht sagen, weil ich meine Zähne nie auf ihre Glattheit getestet habe. Die einzig merkliche Veränderung ist die erhöhte Menge an Nahrung, die nach dem Essen zwischen den Zähnen hängenbleibt und mein Kontostand.

    Ich habe es erlebt – jetzt darf ich meckern.

  • Musikempfehlung: Caspian

    Manchmal erleiden Bands das ihnen zu Recht gleichgültige, da unbekannte Schicksal, Soundtrack zu etwas in meinem Leben zu werden. Die Editors oder Cure können ein Lied davon singen – wobei sie das ehrlich gesagt beide nicht mehr tun sollten.

    Jetzt hat es Caspian erwischt. Selbst als großer Freund des Post Rock habe ich diese Band lange ignoriert, weil sie aus meinem baldigen Gastland stammt und man das als Post Rock-Band in meinen Augen nicht tut. Da kommt man aus Skandinavien oder Japan, vielleicht noch aus Schottland, aber in den USA gibt es nur Miley Cyrus.

    Ihre letzte Platte „Waking Season“ allerdings war die zweitperfekteste Post Rock-Platte in der Liga unter Mono, die mir bekannt ist und lief bei mir in diesem Jahr und damit viel zu spät auf und ab. Nach Schicksalsschlag und einer EP haben die Jungs jetzt eine neue Platte rausgebracht, der das vermutlich auch gelingen wird.

    Das mit dem Soundtrack meinem Leben mir lasse ich mal beiseite, denn es ist akut und im Besonderen zwar nicht wie gewünscht, aber keineswegs schlecht und außerdem ist die Platte eh ein Soundtrack zur Situation der Band.

    Die Stunde Musik vergeht irritierend verkehrstechnisch, nämlich sowohl in einem Zug als auch wie im Flug, dabei ist sie für Post Rock ungewöhnlich undynamisch, nur einmal wird es – dafür aber erheblich – laut und kratzig, es gibt Stücke unter fünf Minuten und einmal wird sogar gesungen. Eindrucksvoll ist, dass die Stücke sowohl alleine als auch im Gesamtkontext auf jeweils eigene Weise wunderbar funktionieren.

    Mit „Ríoseco“ und dem Titelstück sind zwei richtige Hammer dabei. Gerade letzteres wird anderswo im Netz sehr gefeiert, was ich erst aufgrund des etwas abseitigen Gefrikels nicht ganz verstehen konnte. Nach mehrmaligem Hören bin ich dann aber doch der Meinung, dass die letzten sieben Minuten gern auch noch einundzwanzig hätten weitergehen können, oder auch einundzwanzig Tage. Das ist dann auch der einzige Kritikpunkt.

    Ich freue mich auf das Konzert, auch wenn ich der Tatsache, dass es erheblich lauter werden könnte als das damalige Konzert von Oceansize im Knaak, noch misstrauisch gegenüberstehe.

  • Einwanderungsbremse

    Ich war schon in verschiedenen Ländern, die nicht meines sind und nie war es ein Problem, dort hinzukommen, mal die nur am Rande mitbekommenden Quälereien an der ehemaligen Zonengrenze beiseite gelassen.

    Im Herbst plane ich grob, in das Land der Freien und der Heimat der Tapferen zu fliegen, wenngleich bisher noch nicht ausgeschlossen ist, dass es eine fixe Idee bleibt. Dafür habe ich bereits erfolgreich einen Reisepass besorgt, wobei ich etwas verwundert war, dass mir dieser diese Woche im Bürgeramt ohne jede weitere Kontrolle übergeben wurde. Ich bin mir sicher, der Herr hinter der Theke hat sich nicht einmal mein Foto angeschaut. Wobei ein deutscher Pass derzeit ja auch nicht so begehrt ist wie ein syrischer.

    Der nächste Schritt ist das esta-Formular. Damit gibt es offenbar im Moment etwas Probleme, denn das Formular im Internet lädt in jedem Schritt absurd langsam und wenn man die deutsche Fassung wählt, was sich für mich anbietet, bleibt der ein oder andere Lacher nicht aus. Dass man ganz offen gefragt wird, ob man unter einem Decknamen bekannt ist oder nach terroristischen Angriffen trachtet, ist ebenso witzig wie die Übersetzungen einzelner Überschriften wie „Speisekarte“, „Wegbeschreibung“, oder „Überprüfen Sie Ihre Anwendung“. Ob ich am weichen Schlanker erkrankt bin, konnte ich verneinen und mein Trauma durch den Besuch der entsprechenden Wikipediaseite laste ich direkt dem DoHS an.

    Viel schlimmer ist, dass ich den Antrag bisher nicht abschließen kann, weil nicht nur die Ladezeiten an meinen Nerven zehren, sondern auch in jedem neuen Formular wieder neue Probleme auftraten, weil ich Pflichtfelder nicht ausfüllen darf, oder Bestätigungen nicht angenommen werden und wenn das alles doch klappt, scheitert es an der Verschlüsselung der Kreditkartendaten. Warum werden die überhaupt verschlüsselt, wenn die dort drüben eh schon jeder weiß?

    Vermutlich ist das ein reines IT-Problem: Die Seiten wurden neulich neu aufgesetzt, um aktuellen Bedürfnissen zu entsprechen. Sie sind also hochgradig intercative, responsive und all dieser moderne Scheiß. Dann kann man natürlich nicht einfach irgendwo einen Schritt zurückgehen, wenn etwas nicht klappt, sondern fängt in neuer Session von vorne an. Noch dazu sagt mir jetzt Firefox unter Windows, dass das Verschlüsselungszertifikat nicht echt ist, was ich aber hinnehme, weil ich mich zur Verschlüsselung oben schon entsprechend geäußert habe.

    Wie wäre es für die Bundesregierung, ein ähnliches Formular für die Zuwanderer aus dem Süden einzurichten? Das wäre vermutlich deutlich abschreckender als hoher Seegang. 

    Aktualisiert am folgenden Morgen:

    Ich habe unter Zuhilfenahme einiger Biere und einem Stofftier zum Anschreien doch noch erfolgreich die 14 Euro Eintritt bezahlt. Ich hoffe, der Beamte am Flughafen findet in seinem Computer den entsprechenden Hinweis, nachdem er das falsche Zertifikat bestätigt hat.

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