Neues vom Schlafbaum
  • Urlaub von allem

    Guter Morgen

    Guter Morgen

    Ich gehörte ja zu den Gewinnern einer Festivalkarte und konnte mich so ein halbes Jahr lang auf das Ereignis des Jahres freuen, das meinem Gemüt Kraft für den Rest gibt. Aus verschiedenen Gründen war ich Teil einer Zweiergruppe, was Nachteile hat, wenn man nicht gewohnt ist, Teil einer Zweiergruppe zu sein: Man geht sich irgendwann auf den Keks. Dem aber kann man entgegenwirken und zu zweit oder allein entdecken, was dieses Jahr zusammengebastelt wurde und es wurde wieder viel zusammengebastelt. Gefühlt gibt es mittlerweile um die Bands und DJs herum genausoviel anderes und davon handeln auch die meisten der wenigen Fotos, die ich mir im neuen Album zu zeigen erlaubt habe. Sind auch fast keine Menschen drauf.

    Ich habe eine Reihe neuer Bands entdeckt, um die und deren Musik ich mich in den nächsten Tagen mal bemühen muss. Es gab interessantes zu Essen und nach drei Tagen vegetarisch kann ich dem Refrainende von „Ich ess‘ Blumen“ zustimmen. Es gab eine Reihe von Regenschauern, die uns in den seltensten Fällen nass gemacht haben und irgendwie ja auch dazugehören.

    Man ist aber im gesetzteren Alter auf alles vorbereitet: Eher nehme ich grundlos Sonnencreme, Mückenspray und Kondome mit, als dass ich irgendetwas vergesse. Die stressfreie An- und Abreise (sowie die Toilettensituation) und die entspannte Stimmung können tatsächlich sogar dazu führen, dass man in dem Alter noch zu Drum and Bass tanzt.

    Zurück im vergleichsweise hässlichen Berlin frage ich mich einmal mehr, ob die Leute so aufmerksam, hilfsbereit und freundlich sind, weil das Festival ihnen so viele Freiräume lässt, oder ob es genau umgekehrt ist, weil einfach genau die richtigen Leute auf das Festival gehen. Es steckt auf jeden Fall an, denn es ist dort kein Problem, drei Tage lang mit einem Lächeln im Gesicht durch die Gegend zu laufen (außer wenn Hiphop lief. Oder Reggae, Ska, Goa…) und zumindest bei einem der sicher 70000 ging das nachgewiesener Weise ohne den Gebrauch illegaler Substanzen. Auch ist es erfreulich zu sehen, dass bei allem Ärger um die Ticketvergabe und strengere Regeln das Festival sanft und schmerzfrei wachsen kann.

    Neu und verzichtbar war in diesem Jahr war übertrieben viel Feuerwerk und Pyro und auffällig viel Antifapräsenz. Ersteres ist Kinderkacke, letzteres ist richtig und wichtig, aber funktioniert nicht, wenn es verkrampft, uneinig und an einem Ort passiert, wo hoffentlich kein einziges Wesen ist, gegen das man agiert.

    Ob ich nächstes Jahr wieder fahre? Das frage ich mich jedes Jahr, aber mein Glück werde ich auf jeden Fall versuchen.

    Bemerkenswerte Fakten:
    – Es ist keine gute Idee, sich mit einer Gabel in der Arschtasche auf eine Luftmatratze zu setzen
    – Auch Punks tragen Jacken von Jack Wolfskin
    – Ein Leben ohne Internet, Fernsehen und vor allem Werbung ist möglich und extrem erstrebenswert
    – Ein eigenes Zelt gibt mir die Freiheit, die ich mag
    – Ein Smartphoneakku hält mehrere Tage, wenn man das Telefon die meiste Zeit aufgeschaltet lässt

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