Der Planet ist wieder einsam
Einige Jahre war die Admiralsbrücke in Kreuzberg ein enormer Anziehungspunkt für die, die nichts geworden sind und die, die in anderen Ländern nichts geworden sind, aber es sich trotzdem leisten können, nach Berlin zu fliegen: Jede Sommernacht wurde dort in Massen gesehen und gehofft, gesehen zu werden, wurde Musik mit Verstärkern gemacht, gesoffen, bis die Schwarte kracht und in der Gegend rumgepinkelt, weil es in der Nähe nur ein einziges Lokal gibt und das Personal dort bereits beim Bestellen von Essen so unfreundlich sind, dass man mehr als Todesmut braucht, um dort zu fragen, ob man mal darf.
Einige Jahre hat der Bezirk versucht, die Touristen und sonstigen Säufer von der Brücke zu vertreiben, weil drumherum Leute schlafen wollen und keiner Bock auf soviel Müll hat. Es wurden Mediatoren eingeschaltet, es wurden bauliche Maßnahmen geprüft, die die Brücke unattraktiv machen sollen, aber nichts hat geholfen. Es wurde sogar darüber nachgedacht, wieder Autos über die Brücke fahren zu lassen – das sicherste Mittel, um jeden Ort der Welt maximal unattraktiv zu machen.
Warum ich das alles schreibe? Weil ich vorhin um elf über die Brücke geradelt bin und es wunderschön war. Es war leer, es wurde geschwiegen (und zwar auf Deutsch) und alle Menschen nah und fern genossen den himmlischen Frieden.
Dazu brauchte es offenbar keine Mediatoren, keine baulichen Maßnahmen und keine Löschungen aus Touristenführern, sondern nur eine Bullenwanne mit zwei gelangweilten Insassen. So einfach ist das und ich finde das gut. Zumindest so lange, bis im Lonely Planet steht, dass der Marktplatz an der Crelle der neuste Treff für hippe Taugenichtse ist.